Köthen Köthen: Zeitung steckt pünktlich zum Frühstück im Briefkasten
köthen/MZ. - Die August-Bebel-Straße ist verlassen. Kein Motorenlärm stört die nächtliche Ruhe. Auf dem Bürgersteig ist weit und breit niemand zu sehen. Fast niemand. "Es ist günstig, eine Lampe auf dem Kopf zu haben", erzählt Marianne Kittel. Seit 20 Jahren ist die Köthenerin im Dienst der Mitteldeutschen Zeitung unterwegs.
Um 3 beginnt ihre Arbeit. Vom Sammelpunkt in der Lohmannstraße holt Marianne Kittel die Zeitungen für ihr Zustellgebiet. Sie ist für die August-Bebel-Straße und die Mendelssohnstraße zuständig. Mitten in der Nacht - wenn die meisten Köthener noch schlafen - unterwegs zu sein, stört Marianne Kittel nicht. "Ich mache meine Arbeit gern", betont die ausgebildete Facharbeiterin für Post- und Fernmeldewesen.
Zu DDR-Zeiten arbeitete die gebürtige Köthenerin beim Postzeitungsvertrieb in Mecklenburg-Vorpommern. 1989 kam sie in die Heimat zurück und war bei der Post tätig. Nach der Wende fing Marianne Kittel bei der Mitteldeutschen Zeitung an. Mit Briefen hat die Mitarbeiterin des Verlagshauses nach wie vor zu tun. Sie stellt höherwertige Sendungen zu. Das bedeutet: Briefe mit Postzustellungsurkunde und Einschreibbriefe. Darum kümmert sich die Köthenerin vormittags. In den frühen Morgenstunden trägt Marianne Kittel ausschließlich Zeitungen mit dazugehörigen Werbeblättern aus.
"Das geht gut los", kommentiert die Köthenerin das Klingeln ihres Handys. "Ja, Kittel. Hallo?" Als Hauptzustellerin ist sie Ansprechpartnerin für die anderen Zusteller. "Manchmal rufen mich Kollegen an, wenn sie unverhofft krank geworden sind", erzählt Marianne Kittel. 150 MZ-Zusteller sind im Altkreis Köthen unterwegs. 3,2 Millionen Lokalausgaben wurden in diesem Jahr ausgeliefert.
"Na prima. Gut, alles klar", verabschiedet sich Marianne Kittel. Eine gute Nachricht. Es kann weitergehen. "Nicht alle Kästen sind so schön wie diese", merkt die Zustellerin an. Manche seien so klein, dass die MZ nicht richtig hinein passe. Die Briefkästen der Wohnblöcke in der August-Bebel-Straße sind groß genug und lassen sich gut öffnen. Aber: Aus einem Kasten, in den die MZ gut hineingesteckt werden kann, könne sie auch gut wieder herausgeholt werden, beschreibt Marianne Kittel den Nachteil dieser Briefkästen.
"Es gibt in Köthen so einige Leute, die umhergehen und eine Zeitung lesen wollen, aber keine kaufen möchten", erzählt die Zustellerin. Wenn ein MZ-Leser morgens keine Zeitung im Briefkasten hat, bedeutet das also nicht automatisch, dass der Zusteller geschlampt hat. Bei Briefkästen, die schon einmal Langfingern zum Opfer gefallen sind, faltet Marianne Kittel die MZ auf A5-Format und schiebt sie nach ganz hinten. Dass im "Gefecht" auch mal ein Briefkasten vergessen werden kann, leugnet die Zustellerin nicht. "Das sollte nicht, aber ab und zu passiert es doch mal."
Winter bringt Tücken mit sich
Mittlerweile ist es 3.20 Uhr. Die Räder des Zeitungskarren rattern über den Bürgersteig. "Schnee brauche ich nicht", macht die Köthenerin deutlich. Der Winter bringe einige Tücken mit sich. Vor allem Glatteis mache den Zustellern zu schaffen. Marianne Kittel setzt auf ihre Spikes. Es gibt jedoch auch Zusteller, die mit dem Gleitschutz für Schuhe nicht zurecht kommen. Ihre Arbeit wird dann zur wahren Schlitterpartie. Vor Kälte und Wind schützt die gefütterte MZ-Jacke. Handschuhe halten zwar warm, sind beim Zustellen der Zeitungen jedoch eher hinderlich. Vor allem Werbeblätter können damit nur schlecht gegriffen werden.
Bei Wind und Wetter
Bis 6 Uhr müssen alle Zeitungen in den Briefkästen stecken. Und das bei Wind und Wetter. In Ausnahmefällen kann die Zustellung in Absprache mit dem Frühdienst auch später erfolgen. Wenn zum Beispiel das Auto kaputt ist oder ein unzumutbares Unwetter tobt. Dass die MZ nicht pünktlich zum Frühstück auf dem Tisch liege, sei nur sehr selten der Fall, macht Marianne Kittel deutlich.
Gegen 5 Uhr ist die Zustellerin in der Regel mit ihrem Gebiet fertig. Feierabend hat sie dann aber noch nicht. Nach dem Frühstück fährt Marianne Kittel ins Büro am Markt. Dann ist es zwischen viertel und halb sieben. Die Hauptzustellerin unterstützt Ingolf Lux, Vertriebsinspektor der Mitteldeutschen Zeitung in Köthen. Sie kümmert sich um Briefe, die nicht zugestellt werden konnten oder deren Annahme verweigert wurde. Anschließend trägt Marianne Kittel die höherwertigen Sendungen aus. Wenn andere Mittagspause haben, hat die Köthenerin Feierabend. Ihrer Arbeitszeit kann sie durchaus etwas Positives abgewinnen. "Dann kann ich mir noch etwas vornehmen", merkt die Zustellerin zufrieden an.
Kurioses Erlebnis
Dass eine ihrer Kolleginnen bei der Arbeit schon einmal "vermöbelt" wurde, schreckt Marianne Kittel nicht ab. In einer bedrohlichen Situation habe sie sich bisher glücklicherweise nicht befunden. Einmal - daran erinnert sich die Zustellerin genau - habe ein Auto neben ihr angehalten. Der betrunkene Beifahrer sei ausgestiegen und habe gefragt, wie er nach Ägypten komme. "Da muss man versuchen, ein bisschen schlagfertig zu sein", ging Marianne Kittel damals durch den Kopf. "Fahren Sie mal immer geradeaus. Und die erste Pyramide, die Sie sehen, da fahren Sie rechts ab", lautete ihre Antwort.
Humor hat Marianne Kittel. Und gesprächig ist die MZ-Zustellerin zu früher Stunde auch. "Das ist ein schönes Revier", schwärmt sie. Die Köthenerin genießt die Ruhe und die frische Luft. Dass ihrem Beruf nicht jeder etwas abgewinnen kann, zeigt die alljährliche Suche nach Urlaubsvertretungen. "Bisher haben sich immer welche gefunden, aber es gibt Schwierigkeiten", macht Marianne Kittel deutlich.
Manche würden sich anlernen lassen und dann nicht weiter machen. Andere würden ein paar Tage arbeiten und schließlich doch aufhören. "Dafür stehe ich morgens nicht auf", sei das Argument der meisten. Viele MZ-Zusteller haben das Rentenalter längst erreicht. Mit ihren 55 Jahren ist Marianne Kittel vergleichsweise jung. Bis 62 möchte die Köthenerin unbedingt noch arbeiten. "Wenn es länger geht, bin ich nicht traurig", merkt sie an.
Es ist 3.50 Uhr. Die Zustellerin wirft die letzte Zeitung ihrer ersten Runde ein. Sie greift nach dem Karren und zieht weiter. Jetzt werden die Briefkästen in der Mendelssohnstraße bestückt.