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Köthen Köthen: Klassisch, aber auch mit kritischen Anmerkungen

Von STEFANIE GREINER 12.04.2011, 17:57

KÖTHEN/MZ. - Wenn aus einem Grimmschen Bauern der geldgierige Betreiber einer Muckibude wird und sich ein kleines grimmiges Männchen nicht mit einer Playstation begnügen will, kann nur eine dahinter stecken: Astrid Lux. Für die diesjährige Kindertanzrevue zur Osterzeit hat die leidenschaftliche Texterin tief in die Märchenkiste gegriffen. Ihre Interpretation des Klassikers "Rumpelstilzchen" präsentierte die Tanzgruppe des Gymnasiums Köthen am vergangenen Samstagabend im Johann-Sebastian-Bach-Saal des Veranstaltungszentrums.

"Unsere niedlichen Tiere interessieren dich überhaupt nicht mehr", warf Bauerntochter Marie, gespielt von Julia Kellermann, ihrem Vater vor. Krampfhaft suchte dieser nach einer neuen Geschäftsidee, da die Muckibude in der Mühle "Zum Goldenen Stroh" nicht die erhofften Einnahmen erzielte. Für das Talent seiner Tiere hatte der raffgierige Mann keine Augen. Eine Hühnergarde tippelte über das Parkett. Mit einer Eierschale auf dem Kopf formierte sich der Nachwuchs zur "Kükenkarambolage".

Paraderolle für Jule Jäcke

Tanzende Tiere - das wäre eine innovative Geschäftsidee gewesen. Stattdessen stellte sich der Bauer aber als Personal Trainer beim König vor. Fitnessstunden hatte Nick Gerngroß in der Rolle des Monarchen jedoch nicht nötig. Gekonnt lief der begabte Musiker auf seinen Händen über die Bühne und bewies, dass er nicht nur in der musischen Welt zu Hause ist.

Infiziert vom Gedanken, sein Schloss vergolden zu lassen, hielt der König die hilflose Marie gefangen. Immerhin konnte das Mädchen Stroh zu Gold spinnen. Das jedenfalls hatte ihr Vater versprochen. "Er ist der größte Maulheld unter der Sonne", merkte Rumpelstilzchen an. Für Schülerin Jule Jäcke war der spöttische Wicht geradezu eine Paraderolle. Ihr finsteres Lachen stellte Blitz und Donner weit in den Schatten.

Die Kindertanzrevue war auch in diesem Jahr eine gelungene Mischung aus witzigen Dialogen und großartigen Tänzen. Das Repertoire reichte von einer steppenden Putzkolonne über Purzelbaum schlagende Pfefferkuchen bis hin zu grazilen Ballerinas. Rabiate Räuber bewiesen, dass selbst die Hip-Hop-Kultur nicht vor dem Märchenwald Halt gemacht hat.

Kritische Anspielungen auf die heutige Gesellschaft ließ die "gute Seele der Tanzgruppe", wie Astrid Lux liebevoll genannt wird, nicht aus. So echauffierte sich Rumpelstilzchen über die deutsche Sprache, mit der es immer mehr bergab geht. Dass jeder eine zweite Chance verdient hat, sah selbst der König ein.

Mehr als hundert Akteure hatten zum Gelingen der Revue beigetragen. "Sie darf Spaß bereiten und das macht sie so grandios, dass sie von den Kindern geliebt wird", schwärmte Leiterin Ute Schröder. Gemeint war "Gruppenmutti" Astrid Lux. Für das kommende Jahr hat sich das Erfolgsduo eine Menge vorgenommen. Dann nämlich feiert die Tanzgruppe 20-jähriges Jubiläum.

Zum Patentrezept tragen Lehrerin Gabi Bonke und ihre Mutter Hanna Ott entscheidend bei. Sie schneidern die Kostüme der Akteure - und zwar nicht nur Einzelstücke, sondern regelrechte Massenanfertigungen. Engagierte Frauen greifen ihnen unter die Arme. Unterstützung bekommt auch Ute Schröder. Professionelle Tänzerinnen, ehemalige Mitglieder der Tanzgruppe und Mütter helfen ihr, Choreografien mit den Kindern und Jugendlichen einzustudieren.

Auf das Engagement von Lehrerin Uta Bochert kann sich die Leiterin der Tanzgruppe schon seit Jahren verlassen. Dieses Mal schlüpfte sie in die Rolle des Bauern. "Das traut sich nicht jeder, obwohl es Lehrer sind ... und die sind jeden Tag Schauspieler", wandte sich Ute Schröder an ihre Kollegen im Publikum.

Mit wie viel Herzlichkeit die Tanzrevuen des Gymnasiums verbunden sind, bewies nicht zuletzt Schulleiter Hans-Joachim Knebel. "Ich heiße zwar nicht Astrid, aber ich glaube, ich darf sie auch mal drücken", bemerkte er und nahm Ute Schröder in den Arm. Die Interaktion von kleinen und großen Tänzerinnen beeindruckt den Schulleiter immer wieder. In Bienchen- und Schäfchenkostümen hüpften die jüngsten Mitglieder der Tanzgruppe über das Parkett. Sie sind gerade einmal im Kindergartenalter.

Zehn Mädchen nehmen Abschied

Als Küken, Pfefferkuchen und Häschen verzückten die Erstklässlerinnen das Publikum. Mit großartigen tänzerischen Leistungen warteten die Abiturientinnen auf. "Es sind zehn Mädchen, die wir in diesem Jahr verabschieden", gab Ute Schröder wehmütig bekannt. Was der Leiterin der Tanzgruppe am Samstagabend vermutlich durch den Kopf ging, brachte Annett Leuchte zu Gehör. "Kinder werden groß, man hat sie lieb und lässt sie los", mit dem Refrain des Zuckowski-Liedes schien sie Ute Schröder aus der Seele zu sprechen.

Jede der zehn Tänzerinnen hatte am Ende der Revue die Gelegenheit, erlernte Fähigkeiten ein letztes Mal unter Beweis zu stellen. Für die 18-jährige Christin Schröpf schließt sich mit der Zeit in der Tanzgruppe ein wichtiges Kapitel. "Man ist dadurch erwachsener geworden", machte die Abiturientin am Samstag deutlich. Ihre Oma Bärbel Schröpf weiß, mit wie viel Arbeit die Auftritte jedes Mal verbunden waren. "Sie haben schwer trainiert", erzählte die Köthenerin.

"Ihr müsst morgen ausgeruht sein. Ihr müsst tanzen. Ich nicht", hatte Ute Schröder ihren Schützlingen am Vortag ans Herz gelegt. Dass ihr die Abiturientinnen am Samstag das Gegenteil beweisen würden, damit hatte die Leiterin nicht gerechnet. Tänze der vergangenen Jahre musste Ute Schröder nicht nur erraten, sondern auch mittanzen.