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Wegen Audio-Datei Köthen: AfD befürchtet Vertuschung nach Todesfall

Von Hagen Eichler und Kai Gauselmann 11.09.2018, 20:14
Menschen stehen vor Blumen und Kerzen, die am Tatort in Köthen niedergelegt worden.
Menschen stehen vor Blumen und Kerzen, die am Tatort in Köthen niedergelegt worden. dpa-Zentralbild

Köthen - A-PKHalle-120918Die AfD im Landtag bezweifelt die Aussagen der Landesregierung zu den Todesumständen des 22-jährigen Markus B. aus Köthen. Der AfD-Abgeordnete Hannes Loth stützt sich dabei auf eine Sprachnachricht, in der eine Frau den Hergang anders schildert als Innenminister Holger Stahlknecht und Justizministerin Anne-Marie Keding (beide CDU).

Loth räumte ein, dass er die Urheberin der Sprachnachricht nicht kennt. „Aber mein Nachbar kennt sie und ich vertraue ihm.“ Die Datei wird auch von rechten Online-Portalen verbreitet.

„Wie beim Fußballspielen“ gegen Kopf und Bauch getreten

Laut der Sprachnachricht sollen unter anderem zwei Asylbewerber Markus B. festgehalten und ein weiterer Ausländer ihn zu Boden geschlagen haben. Anschließend hätten ihn die Asylbewerber „wie beim Fußballspielen“ gegen Kopf und Bauch getreten.

Die Frau schildert zudem, dass sie vergeblich versucht habe, Markus B. wiederzubeleben. Das Tondokument liegt der MZ vor. Ob es echt ist, konnte die Staatsanwaltschaft am Montag und Dienstag nicht sagen.

Die Darstellung der vermeintlichen Augenzeugin und Helferin klingt zunächst zwar plausibel. Allerdings gibt es andere Darstellungen des Zustandes, in dem sich Markus B. nach der Auseinandersetzung mit den Afghanen befunden haben soll. Laut Tondokument hat die vermeintliche Ersthelferin keinen Puls mehr messen können. Nach MZ-Informationen soll Markus B. aber noch beim Eintreffen weiterer Helfer Puls gehabt haben.

Schwester des Toten hat sich gegenüber der MZ geäußert

Auch die Schwester des Toten hat sich gegenüber der MZ so geäußert. Sie ärgert sich über diese Darstellung im Tondokument, stellt es aber nicht grundsätzlich in Frage. Sie sei erst hinzugekommen, als ihr Bruder am Boden lag, deshalb könne sie zum Geschehen davor nichts sagen. Es sei aber auch tatsächlich eine einzelne Frau bei Markus B. gewesen und er habe in der stabilen Seitenlage gelegen.

Innenminister Stahlknecht wies die AfD-Beschuldigung als „bodenlose Unverschämtheit“ zurück. „Renommierten Rechtsmedizinern zu unterstellen, dass sie Diagnosen und Gutachten fälschen und einer Landesregierung zu unterstellen, dass sie in krimineller Manier Ermittlungen beeinflusst und die Todesursache vertuscht, kommt schon in die Nähe strafrechtlicher Relevanz“, sagte Stahlknecht der MZ.

Justizministerin Keding warf der AfD „gefährliche Zündelei“ vor. Sie hatte am Montag in einer Pressekonferenz bestätigt, dass der Tote Verletzungen aufgewiesen habe. Allerdings hätten nicht diese, sondern ein Herzversagen zum Tod geführt. Alle Behörden arbeiteten mit Hochdruck, sagte Keding am Dienstag. „Was wir aber schon wissen ist, dass keine tödlichen Tritte oder Schläge festgestellt werden konnten.“

Der AfD-Abgeordnete Loth hingegen erhebt schwere Vorwürfe. „Wenn die Landesregierung versucht, der Öffentlichkeit weiszumachen, der Tod des jungen Mannes sei nicht infolge dieser brutalen Attacke erfolgt und sein Herz habe allein aufgrund einer Vorerkrankung versagt, hält sie unsere Bürger offenbar für dumm“, sagte er.

Bereits vor den Vertuschungsvorwürfen hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Bundes-AfD aufgefordert, ihr Verhältnis zu Rechtsextremen zu klären. Dort gebe es „fließende Strukturen“, sagte er im Deutschlandfunk. Die AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen und Alexander Gauland wiesen den Vorwurf zurück. Die Partei lehne Rechtsextremismus ab. „Das haben wir immer getan und wiederholen es auch für Herrn Haseloff noch einmal.“

Das Tondokument zum Todesfall in Köthen im Wortlaut

Der MZ liegt das Tondokument vor, das der AfD-Abgeordnete Hannes Loth zum Anlass nimmt, an der Darstellung der Landesregierung zum Todesfall von Köthen zu zweifeln. Die Staatsanwaltschaft konnte bis jetzt nicht sagen, ob dieses Dokument echt oder eine Fälschung ist. Wir haben es verschriftlicht und veröffentlichen es nur als Abschrift, weil wir die darin vorkommende Person bisher nicht identifizieren und um Erlaubnis fragen konnten. Die Namen im Tondokument sind anonymisiert, der Wortlaut ist aber ungekürzt. Wie am 12. September 2018 bekannt wurde, hat die Augenzeugin ihre Aussagen bei den Behörden deutlich relativiert:

Hallo. Es ging nicht nur um J., da war auch N. mit dabei gewesen. Da war auch noch ein drittes Mädel mit dabei, das kannte ich aber nicht. Und das fing irgendwie so an, dass A. sich mit eingeschaltet hat, weil J. irgendwie nicht  mehr zurückkommt.  Die Ausländer haben sich dann auf dem Spielplatz erst geprügelt, dann hat er J. belöffelt, dann kamen immer mehr Ausländer. Und dann habe ich mich erst zurück gehalten, habe aber nicht gesehen, dass Markus rausgegangen ist, sonst wäre ich definitiv dazwischen gegangen. Dann hat der eine N., der eine Flüchtling hat N. festgehalten und hat ihr dann erst eine in die Fresse gehauen. Dann hat er sie irgendwie so am Schlawittchen genommen, dann hat Markus sie weggezogen und in dem Moment kamen irgendwie noch zwei andere Flüchtlinge raus, die wollten Markus dann helfen, die haben auch einen in die Fresse bekommen. Die sind dann abgehauen wie die Muschis. Und dann haben Markus zwei Flüchtlinge festgehalten und der dritte hat Markus dann insgesamt drei Mal eine gehauen. Dann ist Markus umgefallen. Dann habe ich gar nicht gewusst, was ich machen soll. Dann haben sie ausgeholt, wie so beim Fußballspielen, sag ich, und haben ihn dann alle an den Kopf getreten und im Bauch nochmal rein. Und alle sind dann den Flüchtlingen hinterher gerannt, der D. und die anderen. Und ich bin dann sofort nach Markus gerannt und habe ihn dann kurz stabile Seitenlage gemacht. Und ich habe dann gemerkt, dass er keinen Puls hat, ich habe mich dann noch vergewissert am Fuß unten. Da war aber auch nichts mehr. Dann habe ich angefangen, Herz-Rhythmus-Massage zu machen. Dann hat er noch kurz aufgeatmet, aber ganz schwer halt. Und das war dann leider sein letzter Atemzug. Ich habe versucht, dass er nochmal kommt, aber da war nüscht mehr gewesen. Dann kam der Polizist irgendwann, dann hat der irgendwie geholfen, alle haben dann hinterher nur noch rumgeschrien. Und dann hat der Polizist nur noch gesagt gehabt, ihr seid alle hinter die Ausländer nur noch hinterher, aber keiner hat das Mädel geholfen. Ich stand ganz alleine da. Aus dem Fenster hamse alle geguckt. Dann habe ich hochgerufen, dass ich Hilfe brauche, dass die das Brett zumachen und runterkommen sollen. Leider, wie das immer so ist, habense das Brett zugemacht und sind nicht runtergekommen. Ich stand ganz alleine da, bis der Polizist kam und mich unterstützt hat. Er war aber schon komplett blau gewesen, als der Polizist weitergemacht hat.