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«Immer sind wir uns treu geblieben»

Von Raimund Leonhardt 05.10.2006, 17:27

Köthen/MZ. - "60 Jahre verheiratet, und immer sind wir uns treu geblieben", lächelt der 85-Jährige zu seiner Braut hinüber. "Schieb das Tischtuch nicht so zusammen", bekommt er eine spitze Antwort. Offensichtlich ist die Diamantenbraut verlegen wegen seiner Komplimente.

Otto und Elsa Meiling haben sich nach dem Krieg in Baasdorf kennen gelernt. Sie wohnte damals in Zörbig, hatte aber in dem Ort bei Köthen viele Verwandte. Die Meilings bewirtschafteten einen großen Bauernhof. Elsa, die zu dieser Zeit noch nicht Meiling hieß, kümmerte sich um einen kleinen Waisenjungen in der Familie, weil alle anderen viel auf den Feldern und im Stall zu tun hatten. So nahm die Liebesgeschichte ihre Lauf.

Eines Tages stand Otto bei Elsa vor der Tür und klingelte. "Sie öffnete die Wohnungstür nur einen schmalen Spalt", sieht er die Szene ganz genau vor sich. "Was ich wolle, fragte sie, und sie hatte einen Mauerstein in der Hand", behauptet er. So richtig ist nicht heraus zu bekommen, ob diese Erinnerung wahr ist oder erfunden. Otto Meiling lächelt hinter seinen Brillengläsern, während er das erzählt.

Ob nun mit oder ohne Mauerstein - die Zwei sind ein Paar geworden. Getraut wurden sie zu Hause bei Onkel Paul in Baasdorf. Der war Standesbeamter und durfte das. Mit der Kutsche fuhren sie dann zur Kirche, um sich vom Pfarrer zusammen schließen zu lassen. Von der Kutschfahrt und allem übrigen gibt es leider keine Bilder. Eine "Bekannte", die sich in Meiling "verguckt" hatte, fotografierte zwar alles, zur "Strafe" aber ohne Film, weil der Bräutigam sie verschmäht hatte. Ein Foto existiert jedoch, das die Beiden vor dem Haus der Meilings zeigt. Sie trägt einen langen weißen Schleier, er den guten Anzug.

Fünf Kinder haben die Eheleute bekommen. Neun Enkel und sechs Urenkel zählt die Familie. Tochter Regina ist zur diamantenen Feier von Eisenhüttenstadt nach Köthen gekommen. Sie schneidet in der Küche den Kuchen auf, kocht den Kaffee. Otto Meiling erzählt jetzt von seinen Brieftauben, die er seit Jahrzehnten züchtet. Wenn er den Taubenschlag gereinigt hat und die Tiere ruft, dann kommen sie zu ihm, berichtet er voller Stolz.

Lange Jahre ist Meiling der Vorsitzende des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter im Kreis Köthen gewesen. "Eines Tages haben die von der Kreisleitung mich einfach abgesetzt", knurrt er, "weil ich nicht in der Partei war". Als er kurz darauf Herbert Heber traf, den 1. Sekretär der SED-Kreisleitung, der ihn freundlich begrüßte und sich nach seinem Befinden erkundigte, hat Meiling den Herbert nur vorwurfsvoll angesehen und gesagt: "Ihr habt mich einfach abgesägt." "Doch Herbert hat nichts davon gewusst", weiß Meiling heute, "das haben die hinter seinem Rücken gemacht." Gearbeitet hat Otto Meiling lange Jahre beim KIW in Köthen in der Telefonvermittlung. Elsa indes wirkte 20 Jahre in der PGH der Fleischer. Während am Donnerstag nur einige wenige Verwandte und Bekannte aus Köthen zum Gratulieren kamen, erwartet das diamantene Paar am Sonnabend eine große Zahl lieber Gäste.