HV Betonwerk Anhalt GmbH HV Betonwerk Anhalt GmbH: Ungarn lösten Leiharbeiter ab

Löbnitz - „Seit wann sind wie viele Ungarn im Betonwerk tätig? Werden die ungarischen Kräfte nach Tarif bezahlt?“ Diese Fragen stellte die MZ am 26. September dieses Jahres an Simone Leopold, Geschäftsführerin der HV Betonwerk Anhalt GmbH.
Seit Jahresbeginn gehört die die HV Betonwerk Anhalt GmbH zur „thomas gruppe“. Sie ist eine mittelständische Unternehmensgruppe, die in den Geschäftsfeldern Transportbeton, Betonbauteile, Zement, Naturstein-Asphalt und Straßenbau aktiv ist. Mit den drei Betonwerken in Löbnitz, Edemissen und Angersdorf wächst das Geschäftsfeld Betonbauteile auf insgesamt 15 Standorte.
Hintergrund war eine Sitzung des Bauausschusses des Köthener Stadtrates. Dort kam zur Sprache, dass im Betonwerk deutsche Arbeiter entlassen und an ihrer Stelle ungarische Arbeiter eingestellt wurden - ein Vorgang, der von den Stadträten mit Empörung und Unverständnis aufgenommen wurde.
Die Geschäftsführerin ging auf die beiden Fragen aber nicht konkret ein. Es seien weder deutsche Mitarbeiter noch nicht deutsche Mitarbeiter entlassen worden, hieß es und: „Im übrigen unterscheiden wir unsere Mitarbeiter nicht nach Nationalitäten, das wäre Diskriminierung.“
"In ihren ersten Tagen mussten sie sehr viele Arbeitsstunden leisten"
MZ-Recherchen haben jedoch ergeben: Im Betonwerk sind sehr wohl ungarische Arbeiter tätig, konkret sollen es 35 sein. Ihre Arbeit haben sie Anfang September aufgenommen. Das bestätigte Thomas Waldheim, Branchensekretär Baustoffindustrie bei der Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt. „Die Ungarn wurden von Stammkräften des Betriebes angelernt. Und in ihren ersten Tagen mussten sie sehr viele Arbeitsstunden leisten“, schilderte Waldheim. So viele Stunden, dass er sich veranlasst sah, das Gewerbeamt zu informieren.
Waldheim beschäftigt sich bereits seit Juni dieses Jahres mit dem Betonwerk Anhalt, da deutete noch nichts daraufhin, dass ungarische Arbeiter eingestellt werden würden. Einige Betonwerker meldeten sich bei der Gewerkschaft, weil sie aus der Presse erfahren hatten, dass das Betonwerk an die „thomas Gruppe“ verkauft worden war.
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„Die Kollegen machten sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze. Hinzu kam, dass es all die Jahre im Werk keinen Betriebsrat gab“, berichtete Waldheim. Er habe deshalb die Initiative ergriffen und den Kontakt mit der Geschäftsführerin gesucht. „Einen Betriebsrat wollte sie natürlich nicht“, erinnerte sich Waldheim an das erste Gespräch. Er blieb aber hartnäckig und übergab eine Einladung für eine Betriebsversammlung Mitte Juli. Etwa 100 Beschäftigte seien bei dieser Versammlung dabei gewesen, wo Waldheim die IG Bau vorstellte und deutlich machte, wie wichtig ein Betriebsrat für die Interessenvertretung der Beschäftigten ist. Fragen gab es auch zum Tariflohn. „Als ich sagte, dass er für unsere Branche in unserer Region bei 13,70 Euro pro Stunde liegt, da gab es einen kollektiven Aufschrei. Denn die Kollegen im Betonwerk verdienen wesentlich weniger.“ Das Prozedere ging weiter. Am nächsten Tag habe ein Wahlvorstand seine Arbeit aufgenommen, am 16. September schließlich wurde ein neunköpfiger Betriebsrat gewählt.
"Solche Entscheidungen nähren Vorurteile"
In die Zeit des Entstehens des Betriebsrates fiel der Ersatz der deutschen durch die ungarischen Arbeiter. Wenn die Geschäftsführerin sagte, es seien keine deutschen Mitarbeiter entlassen worden, dann stimmt das formell sogar, aber nur auf den ersten Blick. Denn die 51 Beschäftigten, die es betraf und die teils schon mehrere Jahre hier arbeiteten, waren nicht direkt beim Betonwerk angestellt, sondern bei einer Leiharbeitsfirma. Ende August, so Waldheim, wurde den Leiharbeitern erklärt, dass sie zum 1. September nicht mehr in das Betonwerk kommen müssen. Ihre Arbeit wurde von den Ungarn übernommen. Zu vermuten ist, dass diese weniger Lohn bekommen als ihre deutschen Kollegen.
Thomas Waldheim kann die Geschäftspolitik des Betonwerkes Anhalt nicht gut heißen. „Gerade solche Entscheidungen nähren Vorurteile und führen dazu, dass Menschen sagen: ,Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg’.“ Nach seiner Auffassung müssten Leiharbeiter mehr verdienen als Kollegen aus der Stammbelegschaft, dann habe eine Firma auch kein Interesse, sie lange bei sich zu halten. Denn mit Leiharbeitern sollen ja eigentlich Produktionsspitzen, Krankheits- und Urlaubsvertretungen abgefangen werden.
Die Geschäftsführung des Betonwerkes Anhalt geht inzwischen gegen die Gründung des Betriebsrates vor. Es gibt unterschiedliche Auffassungen zur personellen Stärke des Betriebsrates. Die Gewerkschaft sieht die Voraussetzungen für einen neunköpfigen Betriebsrat gegeben, die Geschäftsführung hingegen hält sieben Betriebsratsmitglieder für ausreichend. Diese Streitfrage muss demnächst ein Gericht klären. Wie das Verfahren auch endet: Dass es im Betonwerk jetzt überhaupt einen Betriebsrat gibt, hält Thomas Waldheim schon für einen Erfolg. (MZ)
