Hochwasser Hochwasser: Gäste bleiben lange aus

DIEBZIG/MZ - Fassungslos sitzt der Gastwirt des Diebziger Hofes, Perry Sixtus, vor der gedeckten Tafel. Das Essen ist fertig und alles für die bevorstehende Feier hergerichtet. Ein 70. Geburtstag mit Mittagstisch sollte an jenem Tag in seinem Lokal gefeiert werden. Doch dazu kam es nicht mehr: Am Vormittag des achten Juni wurde Diebzig evakuiert.
Ein Damm war infolge des Hochwassers gebrochen, Diebzig drohte überflutet zu werden. Polizeibeamte fuhren durch die Straßen und forderten die Bewohner zum Verlassen ihrer Häuser auf. Die Feier wurde abgesagt.
Feuerwehrkameraden aus den umliegenden Ortschaften halfen mit Sandsäcken zu sichern, was zu sichern ging. Spontan bot Sixtus den Kameraden sein fertiges Festmenü an, was die Floriansjünger dankend verspeisten. So musste nichts von dem köstlichen Essen weggeworfen werden. Einen kleinen Obolus bekam der Gastwirt vom Katastrophenstab dafür zurück.
"Wenn ich noch Miete zahlen müsste, wäre hier Feierabend"
Von diesem Zeitpunkt an herrschte Stille im Diebziger Hof. Zwei Wochen lang wurde die Evakuierung aufrechterhalten, länger als in allen anderen evakuierten Ortschaften im Landkreis. Doch selbst nach der Evakuierung herrschte Ausnahmezustand im Ort, der weiterhin ohne Strom auskommen musste. Der Gaststättenbetrieb war für Sixtus unmöglich. Familienfeiern wurden abgesagt und auch die Rast machenden Radfahrer blieben aus. Hinzu kam, dass die Straße in Richtung Wulfen aufgeschlitzt wurde und damit der direkte Zugang nach Diebzig gesperrt war. Die Mückenplage tat ihr Übriges. „Es konnte sich niemand draußen hinsetzten“, beklagt Sixtus. So zog sich der Verdienstausfall für die Wirtsleute über Monate hin.
Für einen solchen Fall seien sie glücklicherweise abgesichert, nahmen die Wirtsleute an. Doch weit gefehlt. Denn eine Klausel der speziellen Versicherung besagt, dass diese bei Hochwasser lediglich in Kraft tritt, wenn das Wasser über die Schwelle ins Haus läuft.
Sixtus' Haus jedoch blieb bis auf einen voll gelaufenen Keller vom Hochwasser verschont. Dennoch hatte er ganz offensichtlich, wie bereits geschildert, einen Totalausfall. Auch Sixtus selbst samt Familie musste während dieser Zeit außerhalb wohnen. Die Versicherung jedoch beharrt auf ihrer Klausel. „Nun kann ich nur noch auf Kulanz hoffen“, so der 49-jährige. „Wenn ich noch Miete zahlen müsste, wäre hier Feierabend“, erklärt er. Die Gaststätte samt Pensionszimmern ist sein Eigentum.
Während sich bei der Versicherung große Probleme auftaten, zeigten sich Firmen, die für Wasser, Strom oder GEZ zuständig sind, sehr verständnisvoll. Dort bekam der Gastwirt einen zinslosen Zahlungsaufschub oder gar die Raten, wie beispielsweise bei der GEZ, für diese Zeit erlassen.
"Es hat uns einfach überrannt"
Drei Monate später beginne nun alles wieder langsam anzulaufen, erzählt der Diebziger. Der Terminkalender weist wieder Bestellungen für Feiern auf und auch die Straße in Richtung Wulfen ist wieder frei.
Die größte Veranstaltung aller Zeiten erlebten Sixtus und der Ort Diebzig mit der kürzlich stattgefundenen Benefizveranstaltung des MDR. Nach Angaben der Veranstalter kamen an diesem Tag rund 1 000 Besucher in den kleinen Ort. „So viele Leute waren noch nie in Diebzig“, sagt der Gastwirt. Zur Unterstützung der geschädigten Gastwirte ließ man Sixtus und den Verein der „Diebziger Buschhasen“ die Bewirtung der Gäste übernehmen. „Wir haben nicht mit so vielen Leuten gerechnet. Es hat uns einfach überrannt“, erklärt Sixtus zeitweilige Engpässe.
