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Spaziergang in die Geschichte Fünf Schaufenster in Köthener Innenstadt erzählen über vertriebene jüdische Händler in der Stadt

Stadtarchivarin Monika Knof fand viele Details heraus.

Von Karl Ebert Aktualisiert: 04.10.2021, 12:39
Auch Verena Schiffner, die Chefin von „Mein Buchladen“, beteiligt sich mit ihrem Schaufenster an der Ausstellung zu jüdischen Geschäftsleuten.
Auch Verena Schiffner, die Chefin von „Mein Buchladen“, beteiligt sich mit ihrem Schaufenster an der Ausstellung zu jüdischen Geschäftsleuten. (Foto: Ute Nicklisch)

Köthen/MZ - Es war ein Projekt von mehreren, das eigentlich schon im letzten Jahr umgesetzt werden sollte. Doch dann machte den Organisatoren die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung. „Also haben wir uns entschieden, einzelne Ideen jetzt spontan zu verwirklichen“, sagt Monika Knof, die Leiterin des Köthener Stadtarchivs.

Was sie meint, ist eine Ausstellung anlässlich 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. „In Form von einfachen Rahmen, wollen wir an ehemalige jüdische Geschäfte in Köthen erinnern, die nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Köthen verließen, ihre Geschäfte und Häuser zwangsweise verkaufen mussten“, erzählt Knof. Alle Teile der Ausstellung an dieser Stelle zu beleuchten, ist nicht möglich. Vielmehr sollten Interessierte die kurzen Einführungen als Anreiz nehmen, einmal selbst einen Spaziergang in Geschichte zu den fünf Adressen zu unternehmen.

In der Marktstraße 7 betrieb Matthias Meyerstein um 1880 eine Tuchwarenhandlung.
In der Marktstraße 7 betrieb Matthias Meyerstein um 1880 eine Tuchwarenhandlung.
(Foto: Ute Nicklisch)

„Ich bin froh, dass es eine solche Ausstellung in unserer Stadt gibt“

In der Schalaunischen Straße 32, heute „Mein Buchladen“, hatte die Familie von Hermann Spiegelberg ihr Geschäft. Er betrieb ein Engro-Lager für Stoffe und Nähartikel sowie Herren-, Damen- und Kinderwäsche. Nach dem Tod von Hermann Spiegelberg im Februar 1924 führte seine Witwe das Geschäft weiter. Im Dezember 1928 verkaufte Martha Spiegelberg Wohnhaus und Geschäft an den Drogisten Otto Wegener. „Ich bin froh, dass es eine solche Ausstellung in unserer Stadt gibt“, sagte Verena Schiffner, die Inhaberin von „Mein Buchladen“.

Gleich ihr gegenüber in der Schalaunischen Straße 15, heute Tuyet Le Thi T & T Mode, betrieb Sophie Marx seit 1908 ihr „Spezialhaus für Tapeten und Linoleum“. Sie war Mieterin beim Hausbesitzer Max Meyerstein. Sophie Marx war Putzmacherin sowie Modistin und handelte mit Tapeten, Wachstuch und Linoleum. Aber auch die ersten „Sprechmaschinen“ - Grammophone nebst Schallplatten bot sie als große Neuigkeiten an. 1926 übernahm Schwiegersohn Leo Herzenberger die Prokura, musste aber im Mai 1930 Konkurs anmelden. Das Haus Schalaunische Straße 15 musste Max Meyerstein 1938 zwangsweise verkaufen.

Moritz Tokayer führte am Buttermarkt vor vielen Jahren sein „Schuhhaus Tokayer“.
Moritz Tokayer führte am Buttermarkt vor vielen Jahren sein „Schuhhaus Tokayer“.
(Foto: Ute Nicklisch)

Gleich zwei jüdische Händler waren am Buttermarkt 9 zu Hause

Am Holzmarkt 12, heute Apollo-Optik, hatte Salomon Spiegel sein Geschäft, wo seit 1907 Porzellan und Kristall-Gegenstände sowie Haus- und Küchengeräte zum Verkauf angeboten wurden. Nachdem Salomon Spiegel 1921 das Grundstück Holzmarkt 12 für 69.000 Mark gekauft hatte, folgten 1929 große Umbauten. Es entstand das „Haus der Geschenke“. 1936 mussten Haus und Geschäft zwangsweise verkauft werden.

Gleich zwei jüdische Händler waren am Buttermarkt 9 zu Hause. Im Januar 1912 zog der Kaufmann Moritz Tokayer mit seiner Familie und seinem Schuhwarengeschäft dort ein. Bereits seit 1898 lebte Moritz Tokayer in Köthen. Er betrieb für die Firma Jetzlaff & Co. erfolgreich ein Schuhgeschäft zunächst in der Dr.-Krause-Straße 66 und später am Bärplatz 6/7. Mit dem neuen Geschäftssitz löste er auch die Geschäftsverbindung mit „Jetzlaff & Co.“ und führte als alleiniger Inhaber sein Geschäft als „Schuhhaus Tokayer“ ab 1920 fort. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste er sein Haus und Geschäft zwangsweise verkaufen.

Salomon Spiegel empfing seine Kunden im „Haus der Geschenke“ am Holzmarkt 12.
Salomon Spiegel empfing seine Kunden im „Haus der Geschenke“ am Holzmarkt 12.
(Foto: Ute Nicklisch)

Im Jahr 1870 kam Matthias Meyerstein mit seiner Familie aus Gröbzig nach Köthen und eröffnete in der Marktstraße 7 eine Tuchwarenhandlung

Bereits lange vorher hatte die Geschichte von Friederike Ehrmann begonnen. Sie war Putzmacherin und betrieb erfolgreich eine Putz- und Modewarenhandlung.

Sie warb mit runden, eleganten und garnierten Hüten, Herbstmänteln sowie Stickereien, hatte stets die neuesten Leipziger Messwaren. Nach dem Tod der Herzogin Witwe Auguste von Anhalt-Köthen lieferte sie häufiger an den Dessauer Hof und wurde so im November 1857 zur „Hoflieferantin“. Im Juni 1862 musste sie Konkurs anmelden.

Im Jahr 1870 kam Matthias Meyerstein mit seiner Familie aus Gröbzig nach Köthen und eröffnete in der Marktstraße 7 eine Tuchwarenhandlung. Das Geschäft war auf seine Ehefrau Minna eingetragen. Mit nur 46 Jahren verstarb Minna und Prokura erhielt der Ehemann. 1889 erlosch diese und Sohn Max, 1862 in Gröbzig geboren, übernahm das Geschäft in der Marktstraße. Sein Vater verstarb 1898 in Köthen.

Sophie Marx verkaufte in der Schalaunischen Straße 15 Tapeten und Grammophone.
Sophie Marx verkaufte in der Schalaunischen Straße 15 Tapeten und Grammophone.
(Foto: Ute Nicklisch)