1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Ein schunkelnder Scheich und massenhaft Marine

Ein schunkelnder Scheich und massenhaft Marine

Von MATTHIAS BARTL 31.01.2010, 17:24

GROSSPASCHLEBEN/MZ. - Jedenfalls nicht für die CDU. Das hängt mit den Machtverhältnissen zusammen: Im Bund regieren die Christdemokraten, im Land ebenso, der Landrat ist CDU-Mann - da bleibt nicht mehr viel für die Köthener CDU, woran sie sich reiben kann und entsprechend unpolitisch fiel der Fasching der CDU in diesem Jahr aus. Jedenfalls nahezu: Denn natürlich bleibt immer noch die Linke, die man sich zur Brust nehmen kann.

Reichtum für alle

So hatte man die Samstagabend-Party im Forellenhof unter ein Thema gestellt, dass man vom Gespann Gysi / Lafontaine quasi adoptiert und parodiert hatte: "Reichtum für alle" hieß das Faschingsmotto und schon die Eintrittskarte war auf die Verballhornung des noch gar nicht so alten Linke-Wahlkampfslogans abgestellt: 20,10 Lügentaler waren gefordert, ausgegeben wurde eine Banknote der Deutschen Lügentalerbank. Im Programm selbst blieb es dann Junge Union-Kreischef Nico Koppenhöle vorbehalten, den politischen Part zu geben: Er malte eine mit den Linken einhergehende Rückkehr zur DDR an die Wand, für den "Reichtum für alle" würden die volkseigenen Druckereien schon auf Hochtouren laufen, damit jeder genug Geld bekäme. Auch Posten hatte Koppenhöle schon zu vergeben: Marina Hinze, für die Linke im Kreistag und im Köthener Stadtrat, beispielsweise ist bei ihm als Volkstraumministerin vorgesehen, denn "träumen kann sie am besten", spottete der Jungunioner. Der als Karnevals-Linker ("Liebe Genossinnen und Genossen") auch in den Ur-DDR-Zustand zurückversetzte Autobahnen prophezeite - was auch gut sei, denn intakte Autobahnen würden schließlich nur die Fluchtgefahr erhöhen. Und auch die Tageszeitung werde wieder rückabgewickelt, zur "Freiheit", auch wenn die dann nicht mehr aktuell sein werde - der Zensurbehörde müsse ja schließlich Zeit eingeräumt werden, alles zu kontrollieren. Ansonsten gelte: "Die volkseigenen Betriebe freuen sich, Sie am Montag begrüßen zu zu dürfen."

Die weiteren Programmpunkte freilich waren längst nicht so bissig, da setzte man mehr auf die Gemütlichkeit, die Dietmar Krause als bestens aufgelegter Maitre de Plaisir versprochen hatte. Wobei man auch da kleine Seitenhiebe durchaus bemerken konnte. Etwa bei der Begrüßung durch die beiden Parteivorsitzenden: Kreis-Chef Bernhard Northoff und Köthener Ortsverbands-Oberster Georg Heeg hatten dies, verkleidet als Pirat und Seemann, übernommen und ließen es nicht aus, dem Landrat einen gereimten Gruß zu schicken: "Den Landrat mit Frau begrüßten wir gern, doch vermissen wir ihn, den Verwaltungsherren." Apropos Marine: Es waren erstaunlich viele der ansonsten gar nicht so zahlreichen Faschingsteilnehmer im Seemanns-Look gekommen, Ex-Sparkassenvorstand Hans-Martin Riemen sah aus wie direkt vom Schubboot gepurzelt und hatte sich - aus Authentizitätsgründen - sogar ein paar Stoppeln am Kinn stehen lassen, Kartoffelbauer Olaf Feuerborn glänzte in einer schneeweißen Kapitänsuniform mit allerdings nur zwei "Kolbenringen" - da fehlte ein Ring zum Korvettenkapitän. Immerhin könnte Feuerborn als Landwirt ja als "Erntekapitän" durchgehen. Seine Frau Gertrud dagegen hatte an ihrer Uniform zwar mehr Streifen als ein Rear Admiral der amerikanischen Vor-Bürgerkriegsflotte, bezeichnete sich aber bescheiden nur als Smutje. Abseits davon wurde auch ein Scheich gesichtet, der sogar schunkelte, als säße er auf einem Wüstenschiff - womit man wieder den Bogen zu den Wogen geschlagen hat.

Sorgen mit dem "Jeneck"

Einen dialektischen Höhepunkt im Programm setzte Dietmar Krauses Schwester Silke Dreißig aus Salzfurtkapelle, die in einer Mischung aus den drei Weltsprachen Ostpreußisch, Oberschlesisch und Vernuschelt eine feine Bütt als Frau mit vielen Gebrechen und vielen Arztbesuchen hinlegte - es dauerte freilich drei Sekunden, ehe man begriff, dass man mit Schmerzen im "Jeneck" natürlich zum "Jeneckologen" gehen muss.

Den meisten Jubel allerdings heimsten fünf Schülerinnen und Schüler der Freien Schule Anhalt ein, die mit zwei Sketchen im Forellenhof auftraten. Sie gehören zu der inzwischen 13 Mitglieder umfassenden Theatergruppe an der Schule in Osternienburg und erlebten vor den CDU-Karnevalisten ihre Fremdpublikums-Feuertaufe. Die Jungs Aron und Jonathan dürften bei ihrer "Schiller und Schaller"-Nummer, die zwar schon aufgeführt wurde als noch Charleston modern war, aber immer noch bestens ankommt, Blut und Wasser geschwitzt haben, aber dank der Souffleurarbeit von Heike Makk und eines freundlichen Publikums kamen sie sauber zu Ende. Dass Frauen die besseren Schauspieler sind - da haben die Jungs gleich was fürs Leben gelernt - , wurde durch Marie, Sina und Leonie bewiesen, die sich durch ein Gewirr von dauernden Missverständnissen an der Theaterkasse kämpften und Lacher und Beifall einheimsten. Da darf man sich schon heute auf den Schulfasching an der Freien Schule freuen: Am 16. Februar wird dann von dem sehr jugendlichen Ensemble noch mehr zu erleben sein.