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Ein einzigartiges Stück Ein einzigartiges Stück: Diebzig hat seine Zollstock-Sonnenuhr wieder

Von Karl Ebert 21.05.2019, 07:22
Wolfgang Lorenz, Holger Knopf, Hans-Ulrich Zimmer, Ortsbürgermeister Werner Seidel und Raimund Böttcher (v. li.) begutachten die Uhr.
Wolfgang Lorenz, Holger Knopf, Hans-Ulrich Zimmer, Ortsbürgermeister Werner Seidel und Raimund Böttcher (v. li.) begutachten die Uhr. Nicklisch

Diebzig - Petrus hat es an diesem Nachmittag nicht gerade gut gemeint mit Wolfgang Lorenz, Holger Knopf, Hans-Ulrich Zimmer, Werner Seidel und Raimund Böttcher. Nach fast sechs Jahren Abstinenz wollen die Fünf den Einwohnern der Ortschaft Diebzig ihre Zollstock-Sonnenuhr zurückbringen.

Doch von Sonne ist an diesem Nachmittag keine Spur. Es schüttet wie aus Eimern. Und so bleibt zunächst nur ein provisorisches Ablegen des Glases mit dem Zollstock, ehe er dann in dieser Woche endlich wieder seinen festen Platz finden wird.

Zollstock-Sonnenuhr ist eine Attraktion des kleinen Ortes Diebzig

„Die Zollstock-Sonnenuhr ist eine Attraktion unseres kleinen Ortes. Mit ihr wollen wir in Zukunft mehr Touristen zu uns locken“, sagt Ortsbürgermeister Werner Seidel, der mit seinen Ratskollegen von der Wählergemeinschaft „Wir für Diebzig“ seit gut zwei Jahren die Fäden in der Hand hält. Laut Wolfgang Lorenz ist die Zollstock-Sonnenuhr sogar weltweit die einzige - liegende zumindest, denn eine rechteckige auf einem Sockel nimmt auch Leipzig für sich in Anspruch.

Die Geschichte der Diebziger Sonnenuhr begann vor gut 20 Jahren. Der Köthener Vermessungsingenieur, Mathematiker, Hobbyastronom und Sonnenuhr-Bauer Alfred Zimmer wollte 1998 im Rahmen eines Kunstprojektes eine Uhr auf dem Diebziger Dorfplatz bauen. Zusammen mit den Vorstandsmitgliedern der Kulturwerkstatt Anhalt legten sie eine Sauberkeitsschicht. Steinmetz Ingo Wier ordnete die Fliesen und Steinplatten an.

„Doch irgendwie ging es dann nicht weiter“, erinnert sich Wolfgang Lorenz, der in Köthen eine Werbe-Lichttechnik-Firma betreibt und mit dem größten Zollstock der Welt - 66 Meter lang und 60 Kilogramm schwer - im Jahr 2000 ins Guinnessbuch der Rekorde eingegangen ist. „Zimmer, der rund 15 Sonnenuhren in der Region Köthen gebaut hat, hatte davon gehört und fragte, ob ich ihm nicht helfen könne. Das habe ich gemacht“, sagt Lorenz.

Die Konstruktion besteht aus Plexiglas, Edelstahl und Aluminium

Nach den Berechnungen von Zimmer fertigte Lorenz eine Konstruktion aus Plexiglas, Edelstahl und Aluminium für die Sonnenuhr an. In dem schmalen Teil sind zwei jeweils 67 Zentimeter lange Zollstockhälften untergebracht, die nach Norden beziehungsweise Süden zeigen. Der Schattenstab dieser Sonnenuhr ist der Mensch selbst. Bevor jemand die Zeit ablesen will, sollte er auf die vor der Uhr angebrachte Tafel schauen.

Dort kann er aus der „Knöcheltabelle“ entnehmen, wo er seine Füße exakt hinstellen sollte. Mit dem Zollstock findet er diesen Punkt zentimetergenau. Im Jahr 2005 wurde die Uhr eingeweiht, sogar das Hochwasser 2013 überstand sie. „Aber dann kam ein 30-Tonner und demolierte sie beim Rückwärtsfahren“, erzählt Bürgermeister Seidel.

Bürgermeister und Ortschaftsrat hatten vor zwei Jahren Versprechen abgegeben

Er und sein Ortschaftsrat hatten beim Amtsantritt vor zwei Jahren das Versprechen abgegeben, dass sie die Attraktion bis zu den Wahlen 2019 wieder beleben wollten. Also rief Seidel im November letzten Jahres bei Lorenz an und fragte, ob er noch einmal helfen könnte. Gemeinsam mit Hans-Ulrich Zimmer, dem Sohn des mittlerweile verstorbenen Alfred Zimmer, entwarf er ein neues Konzept und begann über die Wintermonate in seinem Hobbykeller zu werkeln. Nun muss nur noch einmal die Sonne scheinen, damit Holger Knopf von der Firma Lorenz das Plexiglas-Konstrukt richtig befestigen kann. „Alles kostenlos, denn dieses Dörfchen mit seinen liebenswerten Menschen ist mir mit der Zeit so richtig ans Herz gewachsen“, sagt Lorenz.

Und damit sich möglichst viele Menschen in den nächsten Jahren auf dem Diebziger Dorfplatz genau die Zeit ausrechnen können, soll die Zollstock-Sonnenuhr geschützt werden - auch vor 30-Tonnern. „Wir schwärmen mal kurz aus und holen uns drei Findlinge, die wir von der Straßenseite davor legen“, sagt Seidel. (mz)

Nach einer Lkw-Überfahrt war nicht viel übriggeblieben.
Nach einer Lkw-Überfahrt war nicht viel übriggeblieben.
Nicklisch