1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Der Beruf des Wundberaters : Der Beruf des Wundberaters : Wenn eine Wunde nicht heilen will

Der Beruf des Wundberaters  Der Beruf des Wundberaters : Wenn eine Wunde nicht heilen will

Von Marie Schultz 13.08.2016, 11:45
So eine Beinkompresse gehört zu den Hilfsmitteln von Kerstin Semmler.
So eine Beinkompresse gehört zu den Hilfsmitteln von Kerstin Semmler. Nicklisch

Quellendorf - „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, weiß Kerstin Semmler. Seit dem ersten Juli leitet die gelernte Krankenschwester ihr eigenes kleines Wundberatungsunternehmen: Kompression - Beratung - Schulung. Aber was genau macht man eigentlich als Wundberaterin?

Die Wunden werden selten angefasst

Kerstin Semmler handelt nach dem Motto: „Nur gucken, nicht anfassen“. „Das Anfassen ist in meiner Tätigkeit als Wundberaterin auch nur selten nötig“, erklärt sie. „Ein normaler Termin läuft so ab, dass ich mir die gereinigte Wunde ansehe, sie vermesse, mit Einverständnis des Patienten, fotografiere und anschließend die Ergebnisse schriftlich auf einem Wunderfassungsbogen dokumentiere. Dann gebe ich Empfehlungen für die Behandlung, sowohl beim Hausarzt als auch beim Patienten.“

Offene Wunden sind häufig

Die Quellendorferin wird vor allem bei Fällen von Druckgeschwüren, Verbrennungen und bei Wundheilungsstörungen durch Diabetes Mellitus oder Operationen konsultiert. Das sei vor allem bei offenen Wunden der Fall, die länger als vier Wochen zum Verheilen benötigen.

Außerdem behandelt sie krankhafte Fett- und Wasserablagerungen im Körper, so genannte Ödeme. Dafür nutzt die Wundschwester eine spezielle Apparatur, die mit Druckluft arbeitet. „Die so genannte apparative intermittierende Kompressionstherapie unterstützt die Physiotherapie und verschiedene Kompressions- und Wickelverfahren bei der Behandlung eines Ödems“, gibt Semmler an. Diese Therapieform sei jedoch nicht für jeden geeignet. Der Einsatz müsse immer von der Krankenkasse geprüft werden und der Patient müsse in der Lage sein, die relativ große Manschette selbst anzulegen. „Für eine erfolgreiche Therapie muss das Gerät ein bis zwei mal am Tag für mindestens eine halbe Stunde eingesetzt werden“, informiert die Wundexpertin.

Hausbesuche sind für Wundberater nicht nötig

Eine Praxis hat Kerstin Semmler übrigens nicht. Das lohne sich auch gar nicht, weil sie ihre Ausrüstung immer auf Hausbesuche mitnehmen könne. Das sei auch ein Grund dafür, dass sie sich selbstständig gemacht hat. Meist besucht sie ihre Patienten alle zwei Wochen, bei schweren Fällen schaut sie jede Woche vorbei.

„Jede Wunde heilt anders und jeder Körper auch“, weiß Semmler. „Manchmal funktioniert ein bestimmtes Produkt bei einer Person super, bei einer anderen, mit einer ähnlichen Wunde, wiederum überhaupt nicht.“

Deshalb arbeitet die Wundschwester herstellerfrei, das bedeutet, dass sie auf Produkte aller Hersteller zurückgreift und nicht alle Verbandsmaterialien von einer Firma bezieht. Oft mache sogar der Hersteller den Unterschied, obwohl die Materialien des Pflasters dieselben sind. „Pflaster ist eben nicht gleich Pflaster“, stellt Semmler klar. Da habe sich in den letzen Jahren viel entwickelt.

Wunden müssen körperwarm und feucht sein

Ende der 90er Jahre, als Semmler die Ausbildung zur Krankenschwester begann, gab es bei der Wundversorgung noch nicht besonders viel Auswahl. Heute reicht die Palette von Hypoallergenen Produkten über Hydrofasermaterial aus Zellulose bis hin zu Kompressen mit so genannten Alginaten, Fasern aus Algen, die beim Kontakt mit Flüssigkeit ein Gel bilden und zu Produkten, die den körpereigenen Stoff Kollagen nutzen. All diese Materialien absorbieren die austretende Flüssigkeit und halten die Wunde körperwarm und feucht. Das seien die besten Bedingungen für die Heilung so Semmler.

Chronische Wunden dürfen nicht austrocknen

„Wichtig ist, dass man der Wunde Ruhe gönnt, es ist heutzutage überhaupt kein Problem, einen Verband mehrere Tage oder sogar eine Woche zu tragen. “

Die Theorie, dass Wunden frische Luft zum Verheilen brauchen, kann Semmler nicht bestätigen, im Gegenteil: Bei chronischen Wunden sei das sogar kontraproduktiv, denn diese dürften nicht austrocknen.

Ihre Erfahrung hat die Wundberaterin seit ihrer Ausbildung zur Krankenschwester in über 17 Jahren Berufsleben gesammelt: „Die Wundversorgung hat mich immer fasziniert“, erinnert sie sich. Seither hat die Expertin viele Wunden gesehen: In der Vergangenheit hat sie in der ambulanten Pflege, im Seniorenheim, im Krankenhaus und in einer chirurgischen Praxis gearbeitet. Vor fünf Jahren absolvierte sie eine spezielle Weiterbildung bei der deutschen Gesellschaft für Wundversorgung und seit Februar diesen Jahres ist sie zertifizierte Wundexpertin der Initiative Chronische Wunden e.V.

Wundberater immer auf dem neusten Stand

„Man muss jedes Jahr acht Weiterbildungspunkte vorweisen, sonst verfällt der Abschluss“, erklärt sie. „Das zeigt, wie viel sich momentan auf diesem Gebiet tut. Klar, dass man da auf dem neusten Stand sein muss.“

Neben ihren Hausbesuchen gibt Semmler auch Schulungen für Pflegedienste und berät diese, besonders wenn ihnen keine Wundschwester zur Verfügung steht.

„Wenn jemand meine Dienste in Anspruch nehmen möchte, muss er sich mit seinem Hausarzt besprechen. Erst wenn dieser eine Wundberatung in Erwägung zieht, komme ich für einen Hausbesuch vorbei“, erklärt Semmler. „So bin ich mir auch sicher, dass ich wirklich gebraucht werde.“

Momentan betreut die Unternehmerin, die nebenher weiterhin als Wundschwester angestellt ist, etwa 30 Patienten. Das sei schon ein guter Start, sie habe aber Kapazität für 60 bis 70 Patienten. „Ich freue mich immer sehr, wenn ich den Leuten helfen oder ihnen zumindest die Schmerzen nehmen kann. Wunden versorgen - für mich ist das ein Traumberuf.“ (mz)