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Besonderes Projekt Besonderes Projekt: Warum die Akener "Rohrweihe" in guten Händen ist

Von Sylke Hermann 20.10.2018, 10:07
Hans Prügel (re.) und Theo Grötschel kümmern sich um das Traditionsschiff „Rohrweihe“ im Akener Hafen.
Hans Prügel (re.) und Theo Grötschel kümmern sich um das Traditionsschiff „Rohrweihe“ im Akener Hafen. Ute Nicklisch

Aken - „Mein Mann“, klagt Waltraud Prügel, „ist ständig unterwegs.“ Wegen der „Rohrweihe“. Das jedoch, berichtet sie herzlich lachend, habe nichts damit zu tun, dass sie womöglich eifersüchtig wäre. Sie mache sich einfach Sorgen, wenn ihr Mann, mittlerweile über 80, alleine auf dem alten Kahn herumturne.

Doch Hans Prügel ist erstens ausgesprochen gern an und auf der „Rohrweihe“, die seit langem schon auf Holzbalken hinter dem Sozialgebäude des Akener Hafens abgestellt ist. Und zweitens ist er nicht allein. Theo Grötschel, 66 und sein bester Freund, hilft ihm.

Alte Schleppbarkasse wurde 1926 in Breslau gebaut

Die „Rohrweihe“, ein 1926 in Breslau gebauter Bugsierer, lag viele Jahre im Akener Hafen, wurde vom Wasserstraßenamt als Schleppbarkasse eingesetzt und irgendwann nicht mehr gebraucht. Dann übernahm sie der 1995 wieder gegründete Schifferverein „Kehrwieder“.

Der Verein, der sich 2014 kurz vor seinem 20. Jubiläum aufgelöst hatte, weil ihm die Mitglieder abhanden gekommen waren, zahlte dem Hafen damals einen symbolischen Euro für die „Rohrweihe“, erinnert sich Waltraud Prügel. Und seither kümmere sich ihr Mann um das Schiff.

Hans Prügel liegt die uralte Maschine einfach am Herzen

Aber warum? „Weil mir die uralte Maschine einfach am Herzen liegt“, macht Hans Prügel deutlich. Außerdem sei er im Verein der Einzige gewesen, der das Traditionsschiff hätte fahren dürfen, weil er über die nötigen Papiere verfügte; ein Maschinenpatent nämlich.

Seit es den Verein „Kehrwieder“ nicht mehr gibt, die „Rohrweihe“ wieder dem Hafen gehört, widmet Hans Prügel dem früheren Motorschlepper mindestens einen Tag im Monat. Dann werden schnell ein paar Stunden daraus, wenn er sich am Schiff mit seinem Freund trifft.

Der kommt für den freiwilligen Arbeitseinsatz extra aus Breitenhagen im Salzlandkreis angefahren. Doch das, so versichert Theo Grötschel, tue er sehr gern. Irgendwie scheint auch er sein Herz an die „Rohrweihe“ verloren zu haben.

Aufmerksamkeit gilt dem alten Drei-Zylinder-Motor in dem Schiff

Wenn sich die Beiden im Hafen treffen, gilt ihre Aufmerksamkeit vor allem dem Drei-Zylinder. „Wir machen die Maschine dann fertig, als würden wir gleich losfahren“, schildert Hans Prügel. Dann müssten alle Teile der Maschine einmal kräftig in Bewegung sein, „damit sie sich nicht festsetzt“, weiß der Akener.

Zur Unterhaltung des alten Schiffes gehöre auch, dass mit zehn Schub Öl vorgepumpt werde, berichtet Rohrweihe-Betreuer Hans Prügel. 40 Liter befänden sich in der Maschine. Aber: „Wenn man sie trocken stehen lässt, steht sie sich kaputt und vergammelt.“ Wie mit einem Auto, das nur in der Garage stehe, ergänzt seine Frau.

Rund 15 Tonnen wiegt die mit unzähligen Nieten zusammengehaltene „Rohrweihe“. Für Theo Grötschel müsste sie - allein schon wegen ihres Alters und ihrer Seltenheit - offiziell zu einem technischen Denkmal ernannt werden. „Ein Denkmal ist sie, aber sie verfügt nicht über den dazugehörigen Status.“

Beide Senioren stammen aus alten Schifferfamilien

Für den 66-Jährigen ist Aken, insbesondere wegen der „Rohrweihe“, immer wieder eine Reise wert. Er stammt aus einer Schifferfamilie. Seine Kindheit, erzählt er, habe er „mehr oder weniger auf dem Wasser verbracht“ - immer unterwegs; von der Ostsee bis zum Rhein habe er viel gesehen. Sein Vater, mit 23 Jahren schon Kapitän auf einem Schleppdampfer, und der Vater von Hans Prügel - sie waren Kollegen. Sein Großvater war auch Kapitän und gab seinen Beruf erst auf, da war er schon über 80 Jahre alt. Und sein Urgroßvater verdiente seine Brötchen als Schiffbauer. Somit sei ihm die Begeisterung für die „Rohrweihe“ vermutlich in die Wiege gelegt worden. „Wir treffen uns, basteln ein bisschen rum, quatschen dummes Zeug - das macht einfach Spaß.“ Zu zweit natürlich umso mehr. Außerdem betont er: „Wir sind keine 25 mehr. Es kann immer mal was passieren.“

Bislang war Hans Prügel fast immer noch pünktlich zum Mittagessen zu Hause, ab und zu mit ein wenig Verspätung. Doch seine Frau, weiß er zu schätzen, habe durchaus Verständnis für sein besonderes Hobby: die Pflege der „Rohrweihe“.

(mz)