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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Zum Floriansjünger geboren

Von STEFANIE GREINER 22.08.2010, 15:35

KLIETZEN/MZ. - Wenn der einjährige Simon eine "Tuta" sieht, ist er hin und weg. Mutter Juliane Hamann weiß genau, was ihr Sohn mit dieser Wortschöpfung meint: rote Feuerwehrautos. Seine Faszination für die Einsatzfahrzeuge ist durchaus nachvollziehbar. Immerhin engagieren sich seine Mutter und seine Großeltern in der Freiwilligen Feuerwehr, die derzeit 27 aktive Mitglieder zählt.

Dass sich mehrere Generationen einer Familie zu Floriansjüngern berufen fühlen, ist in Klietzen gar nicht so unüblich. Wehrleiter Lothar Weise weiß: "Wenn einer mitmacht, dann muss die ganze Familie ran." Eine Verpflichtung ist das Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr natürlich nicht. Es kann vielmehr von einer Ansteckung gesprochen werden.

"Das ist wie ein Virus", erklärt Jürgen Fiedler. Seit Kindestagen schlägt sein Herz für die Feuerwehr. Die innere Berufung hat er in die Wiege gelegt bekommen. "Mein Vater war bei der Feuerwehr", macht der Mann aus Klietzen deutlich. Stolz erzählt er, dass auch sein 17-jähriger Sohn zu den Floriansjüngern gehört.

"Er war immer mit dabei", erinnert sich Jürgen Fiedler. Schon als Kind sei Dominik von den mutigen Helfern begeistert gewesen. Dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten würde, war nur eine Frage der Zeit. Einen "richtigen" Einsatz hat der 17-Jährige noch nicht mitgemacht. Die meisten Bedenken hat er vor schweren Verkehrsunfällen.

Im Vergleich zur Freiwilligen Feuerwehr Köthen bleibt es für die Kameraden aus Klietzen meist ruhig. Auf die Ortswehr kommen nur wenige Einsätze zu. Wer meint, dass ausschließlich Brände und Verkehrsunfälle zum Aufgabengebiet der Floriansjünger gehören, der irrt. Die Helfer sind auch bei Naturkatastrophen vor Ort.

Nach dem Tornado in Micheln kamen intensive Aufräumarbeiten auf die Kameraden zu. Besonders hart waren allerdings ihre Einsätze beim Jahrhunderthochwasser vor acht Jahren. "Wir waren fix und fertig", blickt Jürgen Fiedler zurück. Teilweise standen die Feuerwehrleute zwanzig Stunden auf dem Deich.

"Das Wasser ist immer höher gestiegen", hat Jürgen Fiedler noch genau vor Augen. Die Angst ums eigene Leben tritt in solchen Momenten in den Hintergrund. "Wenn der Deich gebrochen wäre, wären viele ertrunken", ist sich der Feuerwehrmann heute bewusst. Der Wille, anderen Menschen bedingungslos zu helfen, ist bei den Floriansjüngern sehr groß. "Dafür bin ich zur Feuerwehr gegangen", betont Sabine Weise. Das Jahrhunderthochwasser habe aber auch ihre Kraftreserven auf eine harte Probe gestellt. Die Ungewissheit, wie hoch das Wasser noch steigt, sei furchtbar gewesen.

"Schätzen können das die Leute oftmals nicht", bedauert die Ehefrau des Wehrleiters. Für viele sei das Engagement der Floriansjünger selbstverständlich. Dass die Helfer ehrenamtlich tätig sind, gerät nicht selten in Vergessenheit. Wenn Sirene oder Pieper Alarm schlagen, ist die Nacht zu Ende - selbst wenn wenige Stunden später die reguläre Arbeit beginnt.

Immer auf dem neusten Stand der Technik zu sein, ist in Klietzen nicht möglich. "Es gibt bessere Ausrüstung, aber die können wir uns nicht leisten", erklärt Jürgen Fiedler. Das Gemeinschaftsgefühl gibt den Feuerwehrleuten aus Klietzen Kraft. Bei sportlichen Wettbewerben - allen voran der "Löschangriff nass" - demonstrieren sie Zusammenhalt.

Eine Frauenmannschaft gibt es derzeit nicht, da der weibliche Nachwuchs fehlt. Bei den Männern sieht es dafür umso besser aus. "Unsere Jugend ist sehr eifrig", lobt Lothar Weise. Bei Wettkämpfen unterstützen die jungen Feuerwehrmänner ihre erfahrenen Kameraden. Gute Platzierungen sind dem Team sicher.

Die Teilnahme an Wettkämpfen ist wichtig, um heran wachsende Floriansjünger zu halten. Was aufgrund fehlender Einsätze in der Praxis zu kurz kommt, muss bei anderen Gelegenheiten bedacht werden. Dazu gehört die Förderung des Teamgeistes. Zu einer Tradition hat sich der Tag der offenen Tür etabliert.

Am Samstag hatten die Klietzener erneut eingeladen. Auf einer Wiese traten Mannschaften verschiedener Ortswehren beim "Löschangriff nass" gegeneinander an. Das Interesse der Anwohner war schwindend gering, was Lothar Weise sehr bedauert. Noch mehr Sorgen macht ihm allerdings der fehlende Nachwuchs.

Dem eigentlichen "Jugendalter" sind Dominik und seine Kameraden schließlich entwachsen. Simon muss noch einige Jahre warten, bis er seinen ersten Feuerwehrhelm aufsetzen kann. Mutter Juliane Hamann würde es unterstützen, wenn ihr Sohn den Wunsch äußert, zur Feuerwehr zu gehen.

"Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, sich zu engagieren", macht die junge Frau deutlich. Ob nun in der Feuerwehr oder in einem Sportverein - das ist für Juliane Hamann zweitrangig. Sabine und Lothar Weise würden sich freuen, wenn ihr Enkel ein Floriansjünger wird.