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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Mit mutigem Konzept zum Pferde-Hotelier

Von LOTHAR GENS 16.08.2010, 17:13

MERZIEN/MZ. - Scheinbar kann das Wetter sein, wie es will: Wenn Arno Hildebrandt zum Tag der offenen Tür in seine Merziener Pferde-Pension einlädt, kommen hunderte Leute. Samstag war das nicht anders: Schon, als am frühen Nachmittag die ersten Wettkämpfer beim Ringreiten den Besten ermittelten, war der Turnierplatz dicht gesäumt - nur, dass das Publikum in der Mehrzahl unter in weiser Voraussicht aufgestellten Pavillons Platz genommen hatte. Immerhin: Es hätte ja regnen können.

Unter denen, die gekommen waren, ist auch der 74-jährige Josef Ziegler. Er kennt den Pferdepensions-Chef seit Jahrzehnten. Kunststück, hat er doch bis 1992, als die Köthener Drehmaschinenbau (Drema) dicht machen musste, dort mit ihm zusammengearbeitet. Und jedes Jahr, wenn er zum Tag der offenen Tür hierher kommt, staunt Josef Ziegler nicht schlecht, was Arno Hildebrandt mal wieder innerhalb eines Jahres geschafft hat auf dem riesigen Anwesen. "Aber auch sonst, zwischendurch, komme ich ab und zu vorbei, dann trinken wir mal ein Bier zusammen und schwatzen ein bisschen über alte und neue Zeiten", sagt Ziegler. Und dabei merkt er immer wieder aufs Neue: "Der Arno hat sich mit seiner Pferde-Pension einen Traum erfüllt. Das wollte er doch schon immer machen. Wenn das drin steckt - das ist wie ein Virus."

In der Tat. Aber in Hildebrandts Fall ein nützlicher. Denn als er seinerzeit arbeitslos wurde - nach 24 Jahren Drema - und grübelte, was er denn nun anstellen solle mit dem Rest seines Lebens, da kam dem rührigen, damals 50-Jährigen seine Pferde-Passion (er kommt aus dem Reitsport) zupasse. Als das Land den Hof in Merzien verkaufte, bot Arno Hildebrandt mit und bekam - auch aufgrund seines Konzepts - den Zuschlag: Am 29. Juni 2003 wurde die Pferde-Pension gegründet. "Aus der Not raus", sagt der Pferdenarr. Aber auch: "Es war richtig."

Den Praxisbeweis angetreten

Den Beweis trat er in der Praxis an. Gemeinsam mit Sohn Jens (natürlich auch Reiter) und der zukünftigen Schwiegertochter Sandra Kantwerk (selbstverständlich Reiterin). Für den jetzt als Stall genutzten großen Gebäudetrakt schaffte er zunächst sechs Boxen an, in denen die ersten Tiere ihren Stell- und Schlafplatz fanden. Heute stehen in dem Stall schon - je nach aktueller Belegung - 15 bis 20 Pferde. Darunter auch Gero - quasi das "Pferd der ersten Stunde". Der Stall ist damit immer voll. Und Hildebrandt, der alles Bisherige aus eigener Kraft und nur mit ganz wenig Krediten erreicht hat, stößt hier an Grenzen.

Denn wenn Sandra Kantwerk, die auf dem Gut Zehringen arbeitet, ihre Zusatzausbildung zur therapeutischen Reitlehrerin beendet hat, soll therapeutisches Reiten in Merzien angesiedelt werden. In einem weiteren großen Gebäudetrakt, der bis fast an die Straße der Thälmann-Pioniere heranreicht und bisher leer stand. Wenn er das mit Sohnemann, viel Material und Muskelkraft saniert hat, dann soll es für die Schützlinge des Betreuungszentrums Gut Zehringen hier möglich werden, die Welt vom Rücken der Pferde aus zu betrachten und für sich selbst dabei gesundheitlichen und mentalen Gewinn zu ziehen.

Zehn-Stunden-Arbeitstag normal

Hildebrandt weiß, dass es nicht einfach wird, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Immerhin "hängen" am Hof auch noch 30 Hektar Wiese, um fürs frische Bio-Heu für die Pensionsgäste sorgen zu können. Der Stall und die Boxen müssen in Ordnung gehalten werden, ebenso der Dressur- und der Springplatz sowie die Reithalle. "Und in der Erntezeit helfe ich noch mit bei der Agrargenossenschaft Quellendorf aus", erzählt er. Wobei letzteres auf Gegenseitigkeit beruhe: "Von der Quellendorfer Genossenschaft habe auch schon oft und große Hilfe bekommen." Es sei ein Geben und Nehmen. Und ein Zehn-Stunden-Arbeitstag bei ihm normal. Aber: "Reich wird man damit nicht", bekennt Arno Hildebrandt, der quasi alles, was der Hof abwirft, wieder in ihn investiert. "Es macht mir Spaß, was will man mehr?", seine rhetorische Frage. Und die Feststellung: "Ich habe den Schritt in die Selbständigkeit noch keinen Tag bereut."

Gäste kamen auch von weit her

Belohnt wurde er dafür auch an seinem sechsten Tag der offenen Tür - wie schon erwähnt - mit reichlich Zulauf. Die Gäste, die auch von mit dem Merziener Reit- und Fahrverein befreundeten Reitervereinigungen und teilweise von recht weit her gekommen sind, bekamen reichlich Wettkämpfe, Vorführungen, Kulturelles und Kulinarisches geboten. Und während Moderator Hans-Jürgen Jahn vom Reitverein Greppin den nächsten Höhepunkt des Tages ankündigt, wieselt Arno Hildebrandt schon wieder über den Turnierplatz, schaut überall nach dem Rechten. So, wie er es jeden lieben Tag in seiner Pferdepension tut.