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50 Jahre Ingenieurhochschule 50 Jahre Ingenieurhochschule: Hochschule Anhalt feiert mit erstem Jahrgang von 1969

Von Martin Tröster 17.06.2019, 14:44
Eine Seminargruppe, die 1969 mit dem Anlagenbau-Studium begonnen hat. In der Mitte steht Gründungsrektor Rolf Schulze, heute 82 Jahre alt.
Eine Seminargruppe, die 1969 mit dem Anlagenbau-Studium begonnen hat. In der Mitte steht Gründungsrektor Rolf Schulze, heute 82 Jahre alt. Martin Tröster

Köthen - Der große Hörsaal im Grünen Gebäude der Hochschule Anhalt in Köthen war fast voll besetzt. Mehr als die Hälfte der Zuhörer hat schon vor 50 Jahren in einem Köthener Vorlesungssaal gesessen: Diese ungefähr 130 Damen und Herren, sieben davon aus Vietnam, feierten am Samstagvormittag mit der Hochschule ein Jubiläum: 50 Jahre lang gibt es in Köthen bereits eine ingenieurwissenschaftliche Ausbildung.

Die grau melierten Damen und Herren in ihren späten 60er Jahren gehören zum ersten Jahrgang, der 1969 sein Studium in Köthen begann. Damals waren infolge eines Beschlusses des SED-Ministerrates Ende der zehn Ingenieurhochschulen in der damaligen DDR gegründet worden.

Aus der „Ingenieurschule für chemische Technik Köthen-Bernburg“, einer Art höherer Fachschule, wurde die Ingenieurhochschule Köthen. Und die Ausbildung ein Studium, also wissenschaftlicher, gründlicher, tiefer. Aber immer noch praktisch.

Gründungsrektor Rolf Schulze arbeitet noch

Zu jugendlich anmutenden Begeisterungsstürmen waren die Damen und Herren, die nun ihr Arbeitsleben hinter sich hatten, noch immer in der Lage, als sie den Namen ihres damaligen Gründungsrektors hörten: Rolf Schulze. Er war auch unter den insgesamt knapp 250 Zuhörern - und stand geschmeidig auf, um seine ehemaligen Studenten zu begrüßen. Der Professor ist mittlerweile 82 Jahre alt, lebt in Magdeburg und arbeitet noch immer als Sachverständiger für die Abfallwirtschaft.

„Immerhin muss ich heute keine Prüfung bei Ihnen absolvieren“, sagte Festredner Peter Springfeld an seinen damaligen Rektor gewandt. Springfeld ist einer der Studenten des ersten Immatrikulationsjahrgangs von 1969, er studierte Anlagenbau. Die meiste Zeit seines Berufslebens arbeitete er als später als Fachjournalist im technischen Bereich. Der 68-Jährige lebt heute in Berlin.

„Es ist die letzte Chance, Danke zu sagen für ein erfolgreiches Studium“

„Es ist die letzte Chance, Danke zu sagen für ein erfolgreiches Studium“, sagte er zum ehemaligen Rektor Schulze. Die Studenten hätten an der von Schulze geleiteten Hochschule gelernt, selbst zu denken, bestehende Verfahren zu hinterfragen. Springfeld schlug kritische Töne an, als er erinnerte: Die Ingenieurhochschulen sollten gegründet werden, um mit den gut ausgebildeten Fachkräften die Planwirtschaft effizienter zu machen, ohne zugleich den Führungsanspruch der Partei anzuzweifeln. „Damit war ein Widerspruch des Systems bereits benannt“, sagte Springfeld trocken.

Festrednerin Johanna Wanka ging kaum auf die Köthener Hochschule im Speziellen ein, sondern auf die Entwicklung vor allem der ostdeutschen Hochschulen nach dem Ende der DDR. Sie erzählte von den Schwierigkeiten, die 20 Jahre nach der Gründung der Ingenieurschule Köthen auf die ostdeutschen Hochschulen einprasselten.

Die Professorin für Ingenieurmathematik leitete in den 1990er-Jahren die Hochschule Merseburg und brachte es später zur Bundesministerin für Bildung und Forschung. „Sie kamen mit Bussen“, beschrieb Wanka die Arbeit der Kommissionen, die nach der Wende auch anhand von zweistündigen Vorträgen der Hochschulmitarbeiter entschieden, wie es mit welcher Hochschule weitergeht. Und ob.

Hoher Anteil an ausländischen Studenten eine Besonderheit der Hochschule

Nicht immer sei es „fair und bis auf das i-Tüpfelchen gerecht“ zugegangen, aber, betonte die Politikerin: „Man hätte es auch nicht wirklich anders machen können.“ Jedenfalls: Die Köthener Hochschule hat diese Phase überstanden.

Gedanklich zurück in Köthen, betonte sie: „Ich denke, dass es in diesen 50 Jahren schwierige Situationen gab, und dass viel geleistet wurde“, betonte Wanka. „Die Studenten hatten auch damals ein klasse Studium absolviert. Sie hoffe, dass auch in 50 Jahren Studenten sagten, dass hier ein Standort sei, an dem viel für Deutschland geleistet werde.“

Armin Willingmann, amtierender Landesminister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, nannte den hohen Anteil an ausländischen Studenten eine Besonderheit der Hochschule Anhalt, vor allem in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. „Diese Studenten auch später in der Region zu halten“; sagte der Sozialdemokrat, „wäre ein unglaublicher Gewinn.“ Willingmann betonte die „wahnsinnige Erwartungshaltung“, die in Sachsen-Anhalt an die Hochschulen gestellt würde: Hier solle Forschung und Entwicklung geschehen. In anderen Bundesländern übernähme die Industrie einen erheblichen Teil dieser Aufgaben. Der Anspruch sei an sich nicht schlimm, es brauche allerdings die nötige Ausstattung.

Viele Absolventen der Hochschule Anhalt bleiben danach auch in Sachsen-Anhalt

Sehr zum Verdruss von Jörg Bagdahn, dem amtierenden Präsidenten der Hochschule Anhalt, stellte Willingmann ein Promotionsrecht an den Fachhochschulen nicht in Aussicht. Dafür seien die Fachhochschulen im Land zu klein. Das Recht, selbst Doktortitel zu verleihen und die entsprechenden Arbeiten zu ermöglichen, sei wichtig, um Professoren zu halten, betonte Bagdahn.

Wie wichtig die Hochschule für die Region sei, zeige sich daran, dass ein großer Teil der Studenten in Sachsen-Anhalt arbeite. Wie wichtig die Hochschule nicht nur für die Region ist, sondern darüber hinaus, zeigt er an einem Beispiel: Mit regionalen Partnern treibt die Hochschule die Umrüstung von Dieseltriebzügen auf Gasmotoren für Wasserstoff- und Methanverbrennung voran - das soll die Emission von Kohlendioxid vermeiden. Wasserstoff, der mit Strom aus Wasser, Wind und Sonne hergestellt wird, soll in naher Zukunft Diesel als Treibstoff für Triebzüge ablösen. Getestet werden soll der erste Wasserstoffzug auf der Strecke Dessau - Wörlitz. (mz)

Harald Friebel und hat 1969 sein Studium der Anlagentechnik aufgenommen.
Harald Friebel und hat 1969 sein Studium der Anlagentechnik aufgenommen.
Martin Tröster
Biomedizin-Professor Boris Romanus Bracio stellt Roboter „Macho“ vor.
Biomedizin-Professor Boris Romanus Bracio stellt Roboter „Macho“ vor.
Martin Tröster
Sie hielten die Festreden: Wissenschaftsminister Armin Willingmann, Hochschul-Präsident Jörg Bagdahn, Ex-Bundesbildungsministerin Johanna Wanka und Peter Springfeld (v.r.).
Sie hielten die Festreden: Wissenschaftsminister Armin Willingmann, Hochschul-Präsident Jörg Bagdahn, Ex-Bundesbildungsministerin Johanna Wanka und Peter Springfeld (v.r.).
Martin Tröster