Einzelhandel in Jessener Innenstadt Wann das Jessener Kurzwarengeschäft „Putz-Dora“ in Jessen seine Türen schließt.
Das Jessener Kurzwarengeschäft „Putz-Dora“ schließt zum 15. April endgültig seine Türen. Was sich Geschäftsführerin Gisela Weidner und Marita Lauterbach von der Zukunft wünschen.

Jessen/MZ. - Ein bisschen Wehmut schwingt in den Worten von Gisela Weidner und Marita Lauterbach mit. Denn jetzt ist es endgültig: Am Dienstag, den 15. April, um 18 Uhr drehen die beiden Damen den Schlüssel an der Eingangstür herum und schließen nach der Ankündigung im Dezember 2024 (die MZ berichtete) das Kurzwarengeschäft in der Langen Straße für immer. Die Räume, wo jetzt Knöpfe, Stoffe, Mützen, Hüte, Wolle oder jeglicher Schneiderbedarf lagern, werden künftig zu einer Wohnung umgebaut.
„So hat alles einmal angefangen“, erinnern sich die Schwestern, erst mit der Eröffnung 1956 sei im unteren Bereich ein Geschäft enstanden – das im Volksmund nur „Putz-Dora“ heißt. Wischeimer und Scheuermittel gehören nicht zum Inventar. Es geht eher um das Anputzen, sich schick machen. Die beiden Frauen verweisen auf einen Meisterbrief, der gerahmt über einer Durchgangstür hängt. Mutter Christa Lauterbach hat am 13. März 1952 ihre Prüfung im Putzmacherhandwerk abgelegt, ein Beruf der längst in Vergessenheit geraten ist. Früher, erzählt Geschäftsführerin Gisela Weidner, haben sich die Leute noch einen Hut anfertigen lassen.
„Putz-Dora“ in Jessen: Welche Rabatte es ab 1. April gibt
Marita Lauterbach holt einen Jessener Heimatkalender aus dem Hinterzimmer. Darin ist eine alte Anzeige mit der Überschrift „Geschäftseröffnung“ abgedruckt. Am 14. März 1914 eröffnet Oma Gertrud Pannier am Jessener Markt 1 ein Putzgeschäft und verspricht in der Veröffentlichung alle Arbeiten prompt, gewissenhaft und zu einem billigen Preise auszuführen. Als Putzmachermeisterin habe sie in der Werkstatt Hüte gefertigt und Schwester Dora diese im Geschäft verkauft. „Die Leute konnten sich den Namen leichter merken. So ist der Name Putz-Dora entstanden“, versichern die beiden Frauen.
Pünktlich um 9 Uhr geht die Jalousie vor der Eingangstür auf. Der Vorgang wird mit einem akustischen Zeichen angekündigt. In den Schaufenstern wird mit Rabatten bis 40 Prozent „auf fast alles“ geworben, mit Beginn des nächsten Monats sind es 50. Die beiden Damen hoffen, dass sie einen Teil der Waren bis zur Schließung noch veräußern können. „Was wir dann damit machen, steht noch nicht fest. Vielleicht bieten wir die Waren auf Flohmärkten an“, so die Chefin, die mit ihrer Schwester seit längerem „Klinken putzen“ gegangen ist, um Abnehmer zu finden.
„Wir haben es sogar bis Berlin versucht, doch das Interesse an unserem Sortiment hat sich sehr in Grenzen gehalten“, erzählt die Chefin, die das Geschäft von ihrer Mutter 1999 übernommen hat. Schwester Marita Lauterbach unterstützt sie nach Kräften und kümmert sich um die Buchhaltung. „Ich bin aber nicht im Geschäft angestellt“, betont sie explizit. Übrigens: Die von ihrer Mutter gefertigten Hüte sind alle verkauft. Davon gibt es auch kein Erinnerungsstück.
Jessen: Warum ein Mann keine Beratung wünscht
Wolle, Reißverschlüsse, Garn und Nadel: Gehört die Kundschaft eher zum Personenkreis Ü60? Nein, bestätigen beide Frauen, im Kurzwarengeschäft „Putz-Dora “ sind alle Altersklassen vertreten. Ein Mann, sagt die Geschäftsführerin, sei stets auf der Suche nach passenden Knöpfen für seine Sakkos. Dieser Kunde steuere zielgerichtet auf die Auslagen zu und habe genaue Vorstellungen.

„Der wollte auch nie eine Beratung“, meint sie, die meisten Kunden nehmen ihre Fachkenntnisse in Anspruch. Im Lauf der Zeit, sagen sie, habe sich viel verändert. Zu DDR-Zeiten sei die Nachfrage nach Wolle, Knöpfen und Reißverschlüssen sehr groß gewesen, heute werde viel im Internet bestellt. Bis auf ganz wenige Beschwerden war die Kundschaft sehr freundlich und habe die Kompetenz des Duos geschätzt. „Diese Gespräche werden uns fehlen“, heißt es unisono.
Auch wenn das Thema Geschäftsschließung in ihrem Alltag sehr präsent ist, machen sich Gisela Weidner und Marita Lauterbach schon Gedanken um ihre Zukunft – ohne tägliche Öffnungszeiten, Wareneinkauf und Buchführung. Sie erzählen von Enkelkindern, Haus, Hof und Garten. Beide wünschen sich vor allem Gesundheit und Frieden auf der Welt. Es müsse doch möglich sein, dass die Menschen ohne Krieg auskommen. Was wird aus dem alten Mobiliar? „Da gibt es schon viele Anfragen“, so die Geschäftsführerin, die andeutet, dass sie sich von „diesen guten Stücken“ nicht so einfach trennen wird.