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Handel und Wandel In Jessen wird nach 110 Jahren Geschäfts-Tradition enden

Gisela Weidner wird ihr Geschäft Putz-Dora, das sie in der dritten Generation führt, zu Anfang des kommenden Jahres schließen. Welches die Gründe dafür sind.

Von Klaus Adam Aktualisiert: 13.12.2024, 15:37
Inhaberin Gisela Weidner (re.) und ihre Schwester Marita Lauterbach sind die guten Seelen im Traditionsgeschäft Putz-Dora in Jessen.
Inhaberin Gisela Weidner (re.) und ihre Schwester Marita Lauterbach sind die guten Seelen im Traditionsgeschäft Putz-Dora in Jessen. Foto: Klaus Adam

Jessen/MZ. - Von außen macht der Laden einen recht unscheinbaren Eindruck. Doch im Inneren herrscht Inhaberin Gisela Weidner über ein Reich von ganz sicher zig Tausenden Utensilien. Angefangen von Nadel und Faden über Knöpfe, Bordüren und Rollen von Stoffen bis hin zu Mützen und Tüchern und noch vielem mehr. Der Eingeweihte wird schnell wissen, es geht um das Traditionsgeschäft Putz-Dora in Jessens Langer Straße.

Allerdings gibt es für alle, die gerne nähen und stricken oder auch nur mal ein Kleidungsstück zu reparieren haben, eine schlechte Nachricht. Gisela Weidner wird sich zu Anfang des kommenden Jahres zur Ruhe setzen und das Geschäft schließen. Damit wird ein weiteres Handelsobjekt aus der Infrastruktur der Stadt an der Schwarzen Elster verschwinden. Denn Nachfolger aus der eigenen Familie hat Gisela Weidner nicht. Beide Söhne sind in der Metallbranche tätig. Aber auch der Laden selbst wird dann nicht mehr existieren. Da er mit dem Wohnbereich verbunden ist, wären umfangreiche Umbaumaßnahmen des Hauses nötig, ihn für fremde Betreiber herzurichten, sagt Gisela Weidner. So wird er dann als Wohnung für die Familie in das Haus integriert.

1914 gegründet

Damit endet nach 110 Jahren eine Geschäftstradition, die die Großmutter von Gisela Weidner und ihrer Schwester Marita Lauterbach im Jahr 1914 begründete. Marita Lauterbach ist ebenfalls oft im Geschäft zu sehen und kennt sich dort genauso aus, wie ihre Schwester als Inhaberin. „Ich bin aber eigentlich mehr im Hintergrund aktiv und kümmere mich um die Buchführung“, erzählt sie. „Ich war nie im Geschäft angestellt.“ Warum heißt es eigentlich gefühlt schon immer Putz-Dora, wo doch die Begründerin Gertrud Pannier hieß?

Das ist eine eigene Geschichte, erzählt Gisela Weidner: „Meine Großmutter war gelernte Putzmacherin, also Hutmacherin und hat hinten in der Werkstatt ihre Hüte gefertigt. Dora war ihre Schwester, die im Laden verkaufte. Deshalb gingen die Kunden dann eben zu Putz-Dora. Überliefert ist, dass das meiner Großmutter nicht so sehr recht war. Aber so war es nun einmal.“

Das Geschäft Putz-Dora wird Anfang  2025 schließen.
Das Geschäft Putz-Dora wird Anfang 2025 schließen.
Foto: Klaus Adam

Doch in den Kriegsjahren wurde es schwieriger für das Geschäft. „Hüte waren nicht mehr so gefragt“, berichtet Marita Lauterbach. „Es wurden mehr Kopftücher für die Arbeit auf dem Feld gebraucht.“ So kamen dann auch immer mehr kleine Teile, die fürs Nähen und Reparieren nötig waren, ins Sortiment.

Nach fast 50 Jahren hatte dann die Mutter von Gisela Weidner den Laden übernommen. Das war im Jahr 1961. Fast 40 Jahre führte auch sie ihn. Möglicherweise war ihr das gewissermaßen mit in die Wiege gelegt worden, denn auch sie lernte den Beruf der Putzmacherin, war darin seit 1952 auch Meisterin. Doch zunächst arbeitete sie bei der Bahn. Ähnlich der Weg der heutigen Inhaberin, die bis zur Geburt ihres ersten Sohnes beim Rat des Kreises Jessen tätig war. Zum 1. April 1999 übernahm Gisela Weidner dann das Geschäft, das bis heute fast nur als Putz-Dora bekannt ist.

Mehr rein als raus

Wer es als Kunde betritt, der muss begeistert davon sein, mit welcher Sicherheit die Chefin eine Rolle voller Knöpfe hervorzieht, wenn der Kunde oder die Kundin ein Vergleichsstück vorzeigt und sagt: „So einen brauche ich wieder“. Oder es wird ein Stoffmuster mitgebracht und die passenden Accessoires dazu herausgesucht. Das geht ganz fix.

Das Geschäft von 1914 befand sich übrigens auf der anderen Straßenseite. Es wurde dann aber später in das heutige Haus integriert, in dem die Familie auch damals schon wohnte. „Wir sind mit dem Laden groß geworden“, erzählen die beiden Schwestern. „Als ich noch nicht über den Ladentisch reichte, habe ich unten ein Schubfach aufgezogen und mich daraufgestellt“, beschreibt Gisela Weidner ihre ersten Verkaufsaktivitäten.

Jetzt wird sie noch in diesem Jahr 76, berichtet sie und es wird Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. „Inzwischen muss ich auch mehr in die Kasse hineinlegen, als ich herausnehmen kann“, beschreibt sie die Entwicklung im Geschäftsleben. Wann sie endgültig die Türen schließt, hängt unter anderem mit der Genehmigung der Anträge für den Umbau ab. Sie vermutet, dass es im Februar soweit sein könnte.