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Radweg Berlin-Leipzig Radweg Berlin-Leipzig: Laufvogel Strauß bestimmt Leben in Naundorf

Von boris canje 25.02.2015, 21:11
Erhard Schlüter (mit Hut) freut sich, wenn er Gäste über die Straußenfarm führen kann. Dabei kommt auch der Spaß nicht zu kurz.
Erhard Schlüter (mit Hut) freut sich, wenn er Gäste über die Straußenfarm führen kann. Dabei kommt auch der Spaß nicht zu kurz. thomas christel Lizenz

naundorf bei seyda - In der Nähe der Holländermühle Naundorf kommen die Radwanderer auf ihrer Tour zwischen Berlin und Leipzig in den Landkreis Wittenberg. Zu einer ersten Sehenswürdigkeit auf ihrem Weg durch die hiesige Region, die Straußenfarm Schlüterhof, es nicht mehr weit. Ein Aufsteller informiert die Radtouristen hier, was sie auf den nächsten etwa 20 Kilometern erwartet. Wer es nicht eilig hat, der macht einen längeren Stopp, lässt sich von Erhard Schlüter über die Farm führen und kauft im Hofladen das eine oder andere Erzeugnis. Und wenn es gewünscht wird, werden auch die Türen der Dorfkirche geöffnet, denn Schlüters sind auch Informationspunkt der Mitteldeutschen Kirchenstraße.

Vor sechs Jahren standen Barbara und Erhard Schlüter vor der Frage, wie sie den großen Hof weiter nutzen wollen. Pflegesohn Sebastian meinte eher scherzhaft: „Na, dann züchtet doch Strauße!“ Und daraus wurde ernst, bis heute. Zumal Barbara Schlüter die Laufvögel einfach putzig fand: „Saurierfüße, ein U-Boot-Körper und dann ein Seerohr“, so ihre Beschreibung.

Urlaub geopfert

Doch von der ersten Idee bis zu deren Umsetzung galt es, Voraussetzungen zu schaffen. Der Urlaub wurde geopfert, um andere Farmen zu besuchen. Lehrgänge wurden absolviert. Auch Umbauten waren vonnöten. Ein ehemaliger Schafstall erfuhr unter anderem eine Neugestaltung und bekam ein Kiesbett, damit die künftigen Nutzer sich hier wohlfühlen. Sogar eine künstliche Glucke entstand, ein Holzverschlag mit wärmenden Lampen an der Decke. Auf gepachteten Flächen wurden Gatter mit Unterständen errichtet.

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Die Betreuerin bei der Agentur für Arbeit fand die Idee des damals arbeitslosen Erhard Schlüter spannend. Von weiteren Bewerbungen wurde er befreit, musste dafür aber in regelmäßigen Abständen über den Fortschritt bei der Straußenfarm Bericht erstatten.

Dann war es endlich soweit, die ersten 25 Küken trafen ein und jeden Monat kam noch einmal die gleiche Zahl dazu. Derzeit sind es 100 Tiere auf der Farm, davon aber nur 35 erwachsene.

Zuchtstrauß dazu gekommen

Ein Zuchtstrauß ist vor einiger Zeit dazu gekommen: Dieter Sabine. Diesen für Verwunderung sorgenden Namen bekam er, weil seine Züchterin Sabine mit Vornamen heißt. Es ist der vierte Zuchtstrauß, also musste sein Name mit dem vierten Buchstaben des Alphabetes beginnen, deshalb Dieter. Es ist ein sehr scheues Tier. Erhard Schlüter vermutet, dass dies damit zusammenhängt, dass er schon zweimal gefangen und transportiert wurde. Daher wird es einige Zeit dauern, bis Schlüters das Vertrauen des Vogels gewinnen.

Strauße stehen nun im Mittelpunkt des Lebens bei Schlüters. Urlaub gab es seit fünf Jahren keinen, schließlich muss sich immer jemand um die Tiere kümmern. Er erhole sich bei seinen Führungen, so Erhard Schlüter. „Es sind wunderschöne Momente, wenn ich mit interessierten Besuchern unterwegs bin. Das ist für mich Entspannung und Erholung pur.“ Und mit flotten Sprüchen hat er die Lacher meist auf seiner Seite. So weiß er zu erklären, weshalb die Küken wie Igel aussehen. „Das ist ein Schutz vor Schlangen. Diese wissen, wenn sie einen Igel verschlingen, dann piekst das und so wird der Strauß verschont.“

Trotz der relativ großen Zahl an Tieren weiß das Ehepaar Schlüter, dass es davon allein nicht leben kann. Deshalb wurde aus einer Garage ein Hofladen, in dem alles rund um den Strauß, von Schinken über Wurst bis hin zu Eierlikör, Federn und natürlich Eier selbst angeboten wird. Es gibt Führungen, aber auch Projekttage und -wochen, kombiniert mit kreativen Arbeiten. Sogar aus therapeutischen Gründen wird der Schlüterhof aufgesucht. Wird den Tieren der entsprechende Respekt entgegengebracht, dann können sie im Gehege besucht und dann sogar gestreichelt werden.

Etwas zur Rente dazu zu verdienen

Auch dabei wird nichts dem Zufall überlassen. Kleinere Kinder bekommen das Bild eines Laufvogels, um es auszumalen. Die größeren erhalten dagegen einen Fragebogen. Haben sie bei der Führung aufgepasst, dann dürften sie keine Probleme haben, alles zu beantworten, zeigt sich der Hausherr überzeugt. Übernachtet werden kann auf dem Gelände, entweder in dem Gästezimmer oder bei größeren Gruppen in Leinwandvillen.

Mit der Gründung der Straußenfarm war eigentlich der Wunsch verbunden, dass einmal eines der Kinder diese übernehmen und weiterführen werde. Doch davon haben sich Barbara und Erhard Schlüter mittlerweile verabschiedet. So lange sie es kräftemäßig noch können, geht es wie bislang weiter. Später wird kurzerhand die Zahl der Tiere reduziert. Dann sollen nur noch einige Zuchttrios überbleiben, um die Eier zu vermarkten und so etwas zur Rente dazu zu verdienen. Doch bis dahin, so hoffen Schlüters, möge noch viel Zeit vergehen. (mz)

Die Straußenfarm in der Naundorfer Dorfstraße 18 in 06917 Jessen, Ortsteil Naundorf bei Seyda ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Erreichbar ist sie unter Telefon 035387/42 30 8, 0172/

64 53 55 9, 0172/59 20 20 5 sowie per Mail unter [email protected].

Ziemlich strubbelig sehen die jungen Strauße aus, fast wie Igel.
Ziemlich strubbelig sehen die jungen Strauße aus, fast wie Igel.
thomas christel Lizenz