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Radfahren  Radfahren : Es war einmal

Von Ute Otto 08.08.2019, 12:25
In den Arnsdorfer Bergen macht das Fahrradfahren keinen Spaß mehr: Weg vom Tor zur Glücksburger Heide in Richtung Lindwerder.
In den Arnsdorfer Bergen macht das Fahrradfahren keinen Spaß mehr: Weg vom Tor zur Glücksburger Heide in Richtung Lindwerder. Ute Otto

Jessen - Den schlechten Zustand der Wege in der Glücksburger Heide beklagte Simone Klopsch aus Jessen gegenüber der MZ. „Früher konnte man wunderbar durch die Heide radeln“, sagt die 60-Jährige, die nach eigenem Bekunden oft und gern aufs Rad steigt, um die Natur zu genießen. „Heute hat man dort nur zu tun, den Lenker festzuhalten.“

Besonders gefährlich sei es in den Arnsdorfer Bergen. „Am Tor zur Glücksburger Heide, da kann man kaum noch gehen, geschweige denn mit dem Fahrrad fahren. Da sind ein Haufen Löcher und es liegen große Klamotten rum. Das wird ja mörderisch, wenn die Massen beim Rawata da runter kommen“, befürchtet Simone Klopsch.

Rückzug des Rawata

Auch wenn der Jessenerin entgangen sein mag, dass schon 2018 die Rawata-Route geändert wurde - Karsten Klöpping, der Organisator der beliebten Jessener Radwander-Veranstaltung, gibt der Frau recht: „Das war ein Punkt, weshalb wir den Rawata nicht mehr direkt in der Heide machen“, sagt er.

Besonders zwischen Arnsdorf und Mügeln „ist der Weg eine Katastrophe“. Die Bereifung der Räder könne darunter leiden, „und es macht auch keinen Spaß. Und wenn da Massen unterwegs sind, ist die Sturzgefahr besonders groß.“

„Da haben wir schon oft Beschwerden gehabt“, sagt Erhard Fritzsche, der Vorsitzende des Heimatvereins Glücksburger Heide, „aber wir haben leider keinen Einfluss darauf. Für die Instandhaltung der Fahr- und Wanderwege ist die Stadt Jessen zuständig.“ Die Ursachen seien vielfältig. Die Dahmsche Straße, eine Schotterpiste, die als öffentliche Straße gewidmet ist, werde von Autos aller Art kaputt gefahren.

Durchfahrtverbot besteht für Lkw ab 3,5 Tonnen. „Da fahren viele Fahrzeuge durch, die hier nicht fahren dürften“, so Fritzsches Beobachtung. An vielen Stellen seien die Hauptwege aber auch durch Starkregenfälle ausgespült.

Der von Simone Klopsch beschriebene Bereich hat vor allem durch den Bau der Stromleitung gelitten, das bestätigt Steffen Höhne, der amtierende Bauamtsleiter in der Stadtverwaltung Jessen. „Das ist seinerzeit nicht wieder so hergerichtet worden, wie es sein sollte“, räumt er ein. In älteren Karten der Tourismusregion Wittenberg ist der Radwanderweg Glücksburger Heide noch eingezeichnet.

„Das war in den 1990er Jahren eine Initiative der Stadt Jessen“, erinnert sich die Geschäftsführerin des Verbandes Tourismusregion Anhalt-Dessau-Wittenberg, Elke Witt. „Ich vermute mal, das ist eingeschlafen.“ Die Stadt ist schon vor Jahren aus Kostengründen aus dem Tourismusverband ausgeschieden.

Kein Anspruch auf Radweg

Was Waldwege insgesamt betrifft, verweist Steffen Höhne auf das Landeswaldgesetz. Demnach dienen Waldwege in erster Linie der Erschließung des Waldes zu seiner Bewirtschaftung und seinem Schutz sowie der Erholung. Wenn Waldwege durch Forstfahrzeuge zerfahren werden, würden sie nach Abschluss der Forstarbeiten wiederhergestellt. Diesbezüglich stehe die Stadt Jessen als Mitglied der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) mit in der Verantwortung.

„Wir sind bestrebt, je nach finanziellen Möglichkeiten Wege wieder in Ordnung zu bringen“, so Höhne. Eine Verpflichtung zur Unterhaltung gebe es allerdings nicht. Zwar gestattet das Landeswaldgesetz das „Befahren der freien Landschaft“ mit Fahrrädern wie auch Krankenfahrstühlen, aber Fußgänger haben Vorrang.

Und es gibt keinen Anspruch darauf, dass die Wege fahrradfähig sein müssen, es sei denn, es sind offiziell gewidmete Radwege - das aber sei in der Glücksburger Heide nirgendwo der Fall. Tatsächlich erinnert nur noch eine lückenhafte Tafel am Heidetor in Mügeln an die einstige Radroute. Als solche ausgeschildert ist sie aber nicht mehr.

Potenzial erkennen

„Die Radfahrer müssen wissen, dass sie sich im Wald vorsichtig bewegen müssen“, sagt Höhne. Damit sei auch die Haftung bei Unfällen oder Beschädigungen an den Fahrrädern ausgeschlossen. Der Mann vom Bauamt führt als Beispiel ein Urteil des Oberlandesgerichtes Köln (Az.: 1 U 12/19) an: Ein Radfahrer hatte auf Schmerzensgeld geklagt, nachdem er im Wald über eine Hangsicherung durch Holzstämme gestürzt war.

Das Gericht wies die Klage ab mit der Begründung, dass Waldeigentümer grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren haften. Wer im Wald mit dem Fahrrad unterwegs ist, habe sich auf solche plötzlich auftretenden Hindernisse einzustellen und müsse jederzeit in der Lage sein, sein Rad in der übersehbaren Strecke anzuhalten, heißt es in der Begründung.

„So lange sich Stadt und Kreis nicht für die Glücksburger Heide interessieren“, damit meint Erhard Fritzsche deren touristisches Potenzial, werde sich das Blatt nicht mehr wenden. Der Verein, getragen von zumeist älteren Mitgliedern, habe selbst gerade noch die Kraft, Wegweiser und Schutzhütten in Ordnung zu halten.

(mz)