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Mittelalter auf Burg Klöden Mittelalter auf Burg Klöden: Zünftig und familiär

Von Ute Otto 31.07.2017, 08:18
Kupferschmied Herbert R. Bauer aus Halle war in diesem Jahr der Gast-Handwerker im Klödener Ritterlager.
Kupferschmied Herbert R. Bauer aus Halle war in diesem Jahr der Gast-Handwerker im Klödener Ritterlager. Ute Otto

Klöden - Vorsicht! Pfeile, scharfkantige Sterne, Mehlsäcke und andere Wurfgeschosse fliegen unbedarften Besuchern auf der Wiese vor der Klödener Burg um die Ohren. Um die 40 Mittelalter-Enthusiasten aus allen Teilen Deutschlands geben sich am Sonnabend in acht Gruppen Ritterspielen hin. Klassische, wie Bogen- und Armbrustschießen oder Galgenkegeln, aber auch selbst erdachte Belustigungen.

Zwei Holzklötze mit einem kurzen Strick verbunden etwa werden zum Wurfgeschoss, das an bestimmten Sprossen einer Leiter hängen bleiben muss. Oder ein Mehlsack muss über die Schulter hinweg in den Zielkreis geworfen werden. Bei der Spinne müssen die Teilnehmer durch ein dichtes Netz aus Stricken und Stäben krabbeln. „Es ist einfach der Gaudi“, wie Thomas Wittan aus Döbeln sagt, „der uns hier wieder zu Kindern werden lässt.“

Wittan ist der Medicus des Lagers, der die Getreuen bei ihrer Ankunft am Donnerstag oder Freitag untersucht und ihnen vorbeugend gegen Pest und Cholera erst einmal eine Tinktur (Lauterberger Tropfen) verabreicht. Ausgenommen die Kinder natürlich. Davon gibt es inzwischen gut ein Dutzend, mittlerweile sind schon die Kindeskinder derjenigen dabei, die vor 30 Jahren zuerst an der Burg Rabenstein das Ritterlager ins Leben riefen.

Es ist eine große Familie aus mehreren kleinen Familien. Aber auch Neulinge seien immer willkommen, versichert der Rostocker Reichsritter Jürgen Order, „rechte Hand des Burggrafen“ (Organisator Thomas Rülicke).

Der vierjährige Hagen schießt wie ein Alter mit Pfeil und Bogen - was Wunder! - ist er doch beinahe ein Nachfahre des Wilhelm Tell. Seine Mutter Jessica Wunder, Tochter des Medicus, hat es während der Ausbildung in die Schweiz verschlagen. Die Liebe hat sie nach Küssnacht geführt. Dorthin, wo die berühmte hohle Gasse ist, durch die Wilhelm Tell 1307 den habsburgischen Landvogt Hermann Gessler erschossen haben soll. „Wilhelm Tell hängt bei uns zu Hause in der Stube“, erzählt die 36-Jährige.

Anna, die zwölfjährige Schwester von Hagen, hütet das Säckchen mit den Steinen vor Beutelschneidern. Diebe haben es nämlich immer wieder darauf abgesehen. Der Verlust - ebenso wie der des Gruppenwimpels - wäre fatal. Die Steine sind die Punkte, die die Gruppen bei den Spielen einheimsen.

98 haben die Kinder am Vormittag schon gesammelt, am Nachmittag sollte es mit Eierzielwurf und der Seeschlacht weiter gehen. „Wer die meisten Punkte hat, bekommt vom Verlierer die Füße geschrubbt mit der Klobürste“, verrät Anna.

Genächtigt wird in Zelten auf der anderen Seite der Burg und im Schutz der Mauern trifft man sich zu den Mahlzeiten und am Abend auf dem Burghof. Dort hat auch traditionell immer ein Handwerker seinen Marktstand eingerichtet.

In diesem Jahr ist es der Kupferschmied Herbert R. Bauer aus Halle-Dölau. Er ist einer der letzten seiner Zunft. Ehe der gebürtige Bayer Berufssoldat wurde, hat er in Bayreuth Kupferschmied gelernt. „Als Lehrberuf gibt es das nicht mehr“, sagt er.

Sein zweites Leben habe ihn nach Halle gebracht, dort habe er sich ein 750 Jahre altes Anwesen gekauft und so sei er in der Saalestadt hängen-geblieben. Nun im Ruhestand, ist er zu seinen Wurzeln zurück gekehrt.

Ohrschmuck und Kettenanhänger bei den Burgfrauen und -fräulein, Deckel auf den Bierkrügen der Ritter verraten, dass der Kupferschmied die Teilnehmer in seinen Bann gezogen hat. Selbst die Kinder werkeln mit Begeisterung, und genau das wünscht sich Bauer, dass die Leute mitmachen, selbst Kreativ werden. Er verarbeite hauptsächlich Abfall. „Upcycling“ - das Wort passt nun gar nicht zum Mittelalter - „ist jetzt das große Thema“.

„Darf ich mal auf Ihre Uhr schauen?“ fragt der Medicus. Das Tragen von Armbanduhren ist im Lager verpönt. Die Sonne ist schon über den Zenit hinaus, die Mägen knurren - es ist Mittagszeit. „Sylke und Thomas“ - nach 20 Jahren gehört auch das Wirtsehepaar Petzold von der Klödener Burggaststätte zur Ritterfamilie - haben ein deftiges Süppchen gekocht. Dann ist Mittagsruhe, schon im Interesse der jüngsten Ritter.

(mz)

Die Kindergruppe wird in das Wurfspiel eingewiesen.
Die Kindergruppe wird in das Wurfspiel eingewiesen.
Otto
Burgfrau Susanne Hübner aus Rostock wirft den Mehlsack hinter sich.
Burgfrau Susanne Hübner aus Rostock wirft den Mehlsack hinter sich.
Otto
Reichsritter Jürgen Order, die rechte Hand des Burggrafen
Reichsritter Jürgen Order, die rechte Hand des Burggrafen
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