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Kritik an Hochspannungstrasse Kritik an Hochspannungstrasse: Ein Fall fürs Gericht?

Von KLaus adam 02.02.2015, 18:17
Strommast mit einer Höchstspannungsleitung.
Strommast mit einer Höchstspannungsleitung. dpa/Symbol Lizenz

Jessen - Die Enttäuschung bei den Betroffenen und Kritikern sitzt tief. Daran kann auch nichts ändern, dass sich die Entscheidung lange andeutete. Die neue von Envia-M-Tochter Mitnetz geplante 110-Kilovolt-Energietrasse vom Jessener Umspannwerk in Richtung Elster wird so gebaut, wie sie vom Stromlieferanten beantragt wurde - auch um Jessen herum als Freileitung. Ändern könnte dies nur noch ein - erfolgreicher - Gang vors Oberverwaltungsgericht in Magdeburg. Die Klage müsste binnen eines Monats eingereicht werden. Bis zum 11. Februar liegt der erlassene Feststellungsbescheid in den Stadtverwaltungen Jessen und Zahna-Elster zur Einsicht aus.

Abgelehnt und zurückgewiesen

Vom Tag der öffentlichen Anhörung am 2. April bis zum 1. Dezember ließen sich die Bearbeiter beim Landesverwaltungsamt in Halle Zeit - um die Ablehnung der wesentlichen Einwendungen zu formulieren. Geforderte Änderungen des Vorhabens wegen der befürchteten Wertminderung der Grundstücke - abgelehnt. In der Regel, weil die Kritiker das Maß der vermuteten Wertminderung nicht belegten. Einwendungen des Betreibers der Tongrube Gorrenberg wegen möglicher Einschränkungen künftigen Abbaus - abgelehnt, da keine detaillierten Planungen vorlägen. Befürchtete Zerstörung von Fauna und Flora - zurückgewiesen, da die Eingriffe „vollständig ausgeglichen“ würden. Kritik an der Rodung von knapp 7 700 Quadratmetern Wald auf seinem Grundstück - zurückgewiesen, die Inanspruchnahme der Flächen sei „zumutbar und verhältnismäßig“.

Mitte Oktober 2012 informierte Investor Envia-M erstmals die Öffentlichkeit über die Pläne, den Neubau der 110-kV-Trasse um das Stadtgebiet Jessen herum und dafür über die Oberberge zu verlegen. Dies sei eine Forderung der Stadt Jessen, die die Leitung aus dem Wohngebiet Kirschplantage und dem Neubauviertel heraushaben wolle.

Eine Trassenführung wurde vorgestellt. Nach ersten Einwändungen wurde die Trasse etwas korrigiert. Mit diesem Vorschlag ging der Investor dann in die Feststellungsplanung. Doch wie die MZ mehrfach ausführlich berichtete, verebbten die Kritiken am Bau der Trasse nicht. Insbesondere die Anwohner forderten eine wenigstens teilweise Erdverkabelung, die nun endgültig abgelehnt ist.

Für den Einschlag habe er Anspruch auf Entschädigung. Sowohl das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Anhalt als auch die Brüder Hanke als Landwirte wiesen auf die zu erwartende Freileitung als Sammelplatz für Vogelschwärme hin. Und so wären sie günstige Ausgangsbasen, um sich an den Weinbeeren und Kirschen gütlich zu halten. Auch dieser Einwand wird zurückgewiesen. Die Logik hat es allerdings in sich: Bereits jetzt böten drei Mittelspannungsleitungen Sitzgelegenheiten für Vögel. Da diese Leitungen erdverkabelt würden, reduzierten sich diese Möglichkeiten stark. Die Kabel der Hochspannungsleitung befänden sich dafür „in viel größerer Höhe und somit weiter entfernt von den Früchten“, so dass ein Zusammenhang mit der Nahrungssuche der Vögel nicht erkennbar sei. Dies in Kurzform nur einige Beispiele für die im Planfeststellungsbeschluss formulierten Abwägungsgründe.

„Über Einwände hinweggegangen“

Die Reaktion der Anwohner kam prompt. Insbesondere die in der MZ vom vergangenen Freitag zitierte Äußerung von Mitnetz-Regionalleiter Matthias Plass, vor dem Planfeststellungsbeschluss seien alle Unklarheiten geklärt worden, stieß auf heftigen Widerspruch. Auch, dass „die letzten Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern“ momentan liefen, blieb nicht unwidersprochen. „Bei uns war noch niemand“, stellte Anwohnerin Viola Busch klar. Die Bewohnerin der Jessener Oberberge ist zugleich Mitglied der Interessengemeinschaft, die sich in Ablehnung der Freileitungstrasse gebildet hatte. Durch den jetzt vorliegenden und damit quasi endgültigen Planfeststellungsbeschluss sehen sich die Anwohner der künftigen Energieleitung - in der Regel sind das auch die Grundstückseigentümer - von den staatlichen Behörden im Stich gelassen. Viola Busch, die sich mit den anderen Mitgliedern der Interessengemeinschaft einig weiß und für sie mit spricht, empfindet es als unglaublich, wie über die Einwände hinweggegangen wird. „Unsere Bedingungen zählen überhaupt nicht“, resümiert sie. „Die Ablehnung durch das Landesverwaltungsamt ist nur auf den Argumenten der Envia-M aufgebaut“, meint die Jessenerin nach dem Lesen des Beschlusses im Internet. „Ich zumindest will mir nicht vorwerfen lassen, ich hätte nicht alles versucht“, den Gang der Dinge zu beeinflussen, erklärt sie.

Gesundheitliche Belange

„Ich weiß, dass ich um die Leitung einen großen Bogen machen werde“, bekundet auch Ines Carius. Sie hatte, wie oft berichtet, auf die gesundheitlichen Aspekte der aus Sicht der Anwohner zu nahen Leitung für die Menschen aufmerksam gemacht. Und immer wieder hatte sie auch betont, dass es inzwischen neuere Feststellungen zu Strahlenbelastungen gebe. Selbst die Strahlenschutzkommission der Bundesrepublik würde darauf verweisen und habe bereits eigene Ergebnisse veröffentlicht. Die seien aber eben noch nicht in Gesetze eingeflossen. Auf eine Information zu naturwissenschaftlichen und medizinischen Gesichtspunkten zum Betrieb solcher Freileitungen „in angemessener und erschöpfender Form“ seitens des Vizepräsidenten des Landesverwaltungsamtes Steffen Eichner warte sie immer noch. Er habe dies in einem mehrseitigen Schreiben vom September 2014 zugesagt. „Eine erschöpfende Antwort“, so Ines Carius, „müsste eigentlich zu dem Schluss führen, dass die Trasse unverantwortlich nahe an Wohngebiete heranführt.“ (mz)