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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Treffen mit wichtigem Zeitzeugen

Von Frank Grommisch 01.03.2012, 18:19

Annaburg/Hohndorf/MZ. - An dieser Feststellung gibt es für das Mitglied des Annaburger Vereins für Heimatgeschichte und Denkmalpflege sowie der Deutschen-Indischen Gesellschaft Berlin auch nichts zu deuteln, obwohl der Reiseverlauf ein ganz anderer war als geplant. Denn nicht alle angekündigten Stationen in dem fernen asiatischen Land konnte Volker Kummer ansteuern. Der Grund waren geänderte inländische Beförderungsbestimmungen, die zusätzliche Kosten für die Gepäckbeförderung zur Folge gehabt hätten. Doch das war nicht eingeplant, so dass Volker Kummer auf Treffen mit einem Schriftsteller, einem Filmregisseur, einer indischen Krankenschwester aus Deutschland, die in der Stadt Kochin auf Urlaub ist, und einem pensionierten und sehr geschichtsinteressierten Generalmajor der indischen Streitkräfte verzichten musste. Aber die für ihn wichtigste Station hat er natürlich angesteuert.

Denn seine achte Reise nach Indien hat Volker Kummer vor allem unternommen, um Sohan Singh zu besuchen. Der heute 88-Jährige war während des Zweiten Weltkriegs im Annaburger Lager für indische Kriegsgefangene interniert. Von Ende September 1942 bis April 1945 wurde er während der Naziherrschaft in Deutschland dort festgehalten. "Das ist gesichert", sagt Volker Kummer. Zum Beweis legt er das kleine, aus vergilbten Seiten bestehende Tagebuch des Inders auf den Tisch. In ihm befinden sich neben Worten in der Muttersprache von Sohan Singh, Punjabi, auch Worte in Englisch und Deutsch, Zeitangaben und andere Daten, die für den Heimatforscher von größtem Interesse sind. Und zu einigen Einträgen, etwa zu darin auftauchenden Namen, will Kummer weiter recherchieren.

Bose in Annaburg

Für den Hohndorfer ist Sohan Singh ein wichtiger Zeitzeuge. Denn während seiner Haft in Annaburg hat Singh in dem Lager inmitten der Stadt Subhas Chandra Bose, den indischen Nationalhelden und Kämpfer gegen die britischen Kolonialherrschaft gesehen. "Somit ist durch Fotos und Zeitzeugen erwiesen", verkündet Volker Kummer stolz, "dass sich der Weggefährte von Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru mindestens dreimal in Annaburg aufhielt", um Angehörige für die Legion "Freies Indien" zu werben. Das kleine Tagebuch soll übrigens einen Platz in der Ausstellung zu den indischen Kriegsgefangenen im Museum im Annaburger Amtshaus bekommen, so ist es der Wunsch von Sohan Singh. Aber auch er selbst kann über seine Aufzeichnungen verfügen. Denn Volker Kummer hat ihm überdimensionale Ablichtungen von den einzelnen Tagebuchseiten mitgenommen.

Ein großer Wunsch von Sohan Singh wird sich aber nicht erfüllen. Gern wäre er noch mal nach Annaburg gereist. Neben der Haftzeit in dem Lager hat er auch einige gute Erinnerungen, inbesondere an Familie Kossagk. Er war dort damals als Helfer in Haus und Hof eingesetzt worden. Doch der Gesundheitszustand lässt eine Reise nach Deutschland nicht zu, aber Enkel von Singh hätten durchaus Interesse, Annaburg zu besuchen, lässt Kummer noch wissen. Aufschlussreich sei auch ein Treffen mit dem Historiker Dr. T.R. Sareen gewesen. Von ihm habe er weitere Hinweise zu den indischen Kriegsgefangenen in Deutschland bekommen. Demnach waren in Annaburg als größtem Lager für indische Kriegsgefangene nicht, wie bisher angenommen, 3 900 Männer, sondern rund 4 200 Personen interniert.

Vor seinem Aufenthalt in Neu Delhi und Umgebung war Volker Kummer in Kalkutta. Hier nahm er an den Feierlichkeiten zum 115. Geburtstag von Netaji Subhas Chandra Bose teil. Dort habe er die Gelegenheit genutzt, mit Teilnehmern über die Forschungsarbeit des Vereins für Heimatgeschichte und Denkmalpflege zu sprechen.

Annaburg ist dort längst ein Begriff. Hängt doch in dem Ausstellungsbereich eine vom Annaburger Verein für Heimatgeschichte und Denkmalpflege gestaltete Informationstafel zu den indischen Kriegsgefangenen in Annaburg. Vier weitere Tafeln befinden sich derzeit im Depot, berichtet Kummer.

Über Vereinsarbeit informiert

In guter Erinnerung ist ihm auch ein Treffen mit dem Generalsekretär des All India Forward Bloc, Asoke Gosh, und dem Sekretär des Komitees Westbengalen, Jayanta Roy. "Auch ihnen habe ich ausführlich über unsere Arbeit berichtet." Die Forschungen zu indischen Kriegsgefangenen seien auf "allergrößte Achtung" gestoßen, so Kummer. Verwunderlich ist das nicht, hat sich doch diese Partei auf die Fahne geschrieben, das Erbe von Nationalheld Bose zu bewahren, schließlich hat er großen Anteil an deren Gründung und den Einsatz für ein unabhängiges Indien.

Mit vielen Anregungen und neuen Kontaktdaten ist Volker Kummer zurückgekehrt. So hat auch die achte Reise neue Impulse für die Indien-Forschung des Annaburger Vereins für Heimatgeschichte und Denkmalpflege geliefert.