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Blutspende In Prettin werden Lebensretter dringend gesucht

Dessauer Blutspendeinstitut kann nicht mehr alle Einrichtungen vollumfänglich beliefern. Die vierte Coronawelle hat einen Anteil daran.

Von Heidi Thiemann Und Annette Schmidt 14.01.2022, 12:00
Heidrun Thomas und Heidi Rink betreuen seit Jahren ehrenamtlich die Blutspendeaktionen in Prettin.
Heidrun Thomas und Heidi Rink betreuen seit Jahren ehrenamtlich die Blutspendeaktionen in Prettin. Foto: Annette Schmidt.

Prettin/Dessau/MZ - Ina Lehmann vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) erwartet im Gemeinschaftshaus Prettin hinter einer Plexiglasscheibe sitzend den nächsten Blutspender und fragt diesen routiniert und freundlich nach seinem 3G-Status. So mancher hält sein Zertifikat schon bereit, andere fangen reflexartig an zu suchen. Jeden von ihnen hält die Koordinatorin für Blutspenden im Jessener Land mit den Worten auf: „Den will erst die Krankenschwester sehen, ich frage nur, ob er vorhanden ist.“

Es ist die erste Blutspendenaktion in diesem noch jungen Jahr in Prettin und die erste am neuen Standort. Die Schule, in der jahrzehntelang die Aktionen stattfanden, ist nach dem Umbau zwar kindgerechter geworden, aber für Erwachsene sind die Möbel ungünstig. „Die Schule war für uns logistisch nicht mehr machbar“, sagt Ina Lehmann.

Obwohl von den ehrenamtlichen Helfern bis zu den Schwestern alle fachkundig ihren jeweiligen Job machen, schwingt eine winzige Unsicherheit durch das Team. Die Verunsicherung rührt von der Frage her, wie viele werden heute kommen, um ihre lebensspendende Körperflüssigkeit zu stiften, an dem gerade akuter Mangel herrscht.

Die Lager sind leer

Das Lager mit Blutpräparaten im Dessauer DRK-Blutspendeinstitut weist an vielen Stellen Lücken auf. „Im Dezember und zu Weihnachten haben wir jedes Jahr ein Polster aufgebaut für Januar. Diesmal haben wir das nicht“, sagt Hartmut Kroll, Leiter des Institutes für Transfusionsmedizin.

Jedes Präparat wird vor der Verwendung geprüft und dann etikettiert, hier von Christoph Gase und Manuela Paasch in der Zellgewinnung.
Jedes Präparat wird vor der Verwendung geprüft und dann etikettiert, hier von Christoph Gase und Manuela Paasch in der Zellgewinnung.
Thomas Ruttke

Das hat direkte Auswirkungen auf die 100 Krankenhäuser und Praxen, die das Dessauer Institut in Sachsen-Anhalt versorgt. „Wir können nicht mehr alle vollumfänglich beliefern“, sagt Kroll und gibt zu: „Es ist eine unschöne Situation, wenn Chirurgen nicht mit dem nötigen Blutvorrat in eine OP gehen können.“ Er denke, dass deshalb nicht lebenswichtige Operationen aufgeschoben werden müssen. Die Blutknappheit betreffe alle Blutgruppen.

Die Pandemie hat die Arbeit der Vorort-Teams erschwert. Anfangs, sagt Kroll, seien Spendenlokale weggebrochen. Zum Teil, wie an Schulen, die für den Unterricht geschlossen waren, spielte auch Unsicherheit eine Rolle. So verwundert es nicht, dass in Prettin die Frage im Raum steht, haben alle Spendenwilligen den Ortswechsel registriert. „Ich hoffe, dass keiner zur Schule fährt und vor verschlossenen Türen steht“, sagt Ina Lehmann.

Hartmut Kroll leitet das Blutspendeinstitut des DRK in Dessau.   Die Lagerbestände weisen Lücken auf. Kroll hofft auf neue Spender.
Hartmut Kroll leitet das Blutspendeinstitut des DRK in Dessau. Die Lagerbestände weisen Lücken auf. Kroll hofft auf neue Spender.
Foto: Thiomas Ruttki

Mit Pandemiebeginn sei bei den Blutspenden auf strenge Hygieneregeln geachtet worden - das Abstandsgebot und die Pflicht zum Maske tragen gehörte dazu. Inzwischen sind Blutspenden nur noch unter der 3G-Regel möglich. Auch das habe vereinzelt zu einem Verlust an Spendern geführt. „Durch diese Regelung scheiden einige aus“, bestätigt Ina Lehmann. Trotzdem ist das Hygienekonzept aber insgesamt gut aufgenommen worden. Denn es gelte, Spender und Mitarbeiter gleichermaßen zu schützen. „Es ist extrem wichtig, dass wir arbeitsfähig bleiben, um die Patienten im Land mit Blut versorgen zu können“, sagt Kroll.

Im Dessauer Institut werden täglich zwischen 600 und 1.000 Vollblutspenden aus Sachsen-Anhalt und Thüringen aufbereitet. „Ich würde mir wünschen, dass sich der ein oder andere noch ein Herz fasst und zur Blutspende kommt“, erklärt der Institutsleiter und auch: „Wer Blut spendet, ist jemand, der Verantwortung für die Mitmenschen übernimmt.“ Er weiß zudem, nach der Spende stelle sich ein gutes Gefühl ein, weil man etwas für seine Mitmenschen getan habe.

Die Rohrpostanlage verbindet das Institut und das Dessauer Klnikum.
Die Rohrpostanlage verbindet das Institut und das Dessauer Klnikum.
Thomas Ruttke

Das Dessauer Institut beliefert mit den Blutpräparaten, die zuvor untersucht und aufbereitet werden, nicht nur generell 100 Einrichtungen. Im Labor werden Verträglichkeitsuntersuchungen durchgeführt und patientenspezifische Präparate für das Dessauer Klinikum, das Coswiger Herzzentrum und seit neuestem auch für das Krankenhaus in Köthen gefertigt, ebenso für andere Einrichtungen auf Nachfrage. Mit dem Klinikum im Auenweg ist das Institut im Altener Damm direkt mit einer Rohrpost verbunden.

Die guten Seelen

Heidi Rink und Heidrun Thomas sind als ehrenamtliche Mitarbeiter so etwas wie die guten Seelen der Prettiner Blutspendeaktionen. Die beiden Frauen versorgen seit Jahren die Spender mit Getränken und Essen und packen die Tüten zum Mitnehmen. Sie sind sich einig, dass der Umzug gut war. Hier sei alles viel weitläufiger. Die Abstände können besser eingehalten werden und demzufolge bleiben die Leute auch wieder für einen Plausch sitzen. Tatsächlich laufen die Spender im Einbahnstraßensystem von Raum zu Raum. Die aufgestellten Ligen wirken trotz der eingehaltenen Abstände beinahe verloren in dem großen Festsaal.

„Es wird etwas dauern, bis uns die Wege in Fleisch und Blut übergehen, aber das wird schon werden“, sagt Heidi Rink. Sie und ihre 72-jährige Kollegin haben, optimistisch wie sie sind 50 Tüten gepackt und das obwohl in der vierten Coronawelle das Spendenaufkommen im gesamten Gebiet um 20 Prozent eingebrochen ist. Am Ende des Abends haben 41 Spender den Weg zum neuen Standort gefunden. Die Koordinatorin beurteilt die Aktion als erfolgreich. „Unter den gegebenen Umständen ist das für Prettin ein fast normaler Schnitt.“