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Bulgarisches Restaurant in Schweinitz Flexible Quereinsteiger - Bulgarisches Restaurant in Schweinitz eröffnet

Nina Nikolova und Chavdar Batanov haben in Schweinitz ein bulgarisches Restaurant eröffnet. Warum sie ihr Heimatland verlassen haben und welche Tipps sie besonders schätzen.

Von Thomas Tominski 20.11.2023, 11:00
Nina Nikolova und Chavdar Batanov in ihrem Lokal  „Bei Chafo  und Nina“.  Dieses ist von Mittwoch bis  Sonntag  geöffnet.
Nina Nikolova und Chavdar Batanov in ihrem Lokal „Bei Chafo und Nina“. Dieses ist von Mittwoch bis Sonntag geöffnet. (Foto: Thomas Tominski)

Schweinitz/MZ. - „Am ersten Tag war nicht ein Besucher da“, blickt Nina Nikolova auf die Eröffnung des Lokals „Bei Chafo und Nina“ am 13. September in Schweinitz zurück. Zusammen mit ihrem Mann Chavdar Batanov verteilt die 42-Jährige im Ort sowie in Jessen und Annaburg fleißig Flyer, um den Bekanntheitsgrad des Geheimtipps zu steigern.

Nach zwei Monaten und vielen persönlichen Gesprächen fühlt sich das Paar angekommen. „Unsere deutschen Gäste haben sofort gemerkt, dass wir keine Profis sind“, erzählt die studierte Ingenieurin für automatische Produktionsprozesse. Diese Offenheit verbunden mit vielen Tipps habe ihnen weitergeholfen, perfekte Gastgeber zu sein. „Ich habe in Bulgarien als Grundschullehrer gearbeitet“, verrät ihr Mann, wer sich seinen Traum von einem eigenen Lokal erfüllen möchte, muss eben flexibel sein.

Annonce legt Grundstein

Der frühere Pädagoge lebt seit acht Jahren in Deutschland, seine Frau seit fünf. Warum haben sie Bulgarien verlassen? „Die Kosten sind uns über den Kopf gewachsen. Selbst zwei Jobs haben dafür nicht mehr gereicht“, antworten sie unerwartet ehrlich. Im Detail geht es um die Rückzahlung eines Einrichtungskredites und die steigenden Kosten für die Behandlung ihres kranken Vaters. Durch Vermittlung von Freunden fängt der heute 51-Jährige bei einer Metallbaufirma in Straach an.

„Unserem Sohn Kristian hat der Papa sehr gefehlt“, denkt Nina Nikolova auf eine nicht immer ganz einfache Zeit zurück. 2018 zieht das Duo hinterher. Sie mieten sich in Wittenberg eine Wohnung um hier ihre Existenz aufzubauen. Auf die Idee, in die Gastro-Branche zu wechseln, sei die 42-Jährige eher durch Zufall gekommen. Nach der Ankunft der ersten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine habe Nina Nikolova aufgrund ihrer guten Russischkenntnisse ehrenamtlich für den Landkreis gearbeitet – und dabei aus Spaß für die Flüchtlinge gekocht. „Es hat allen super geschmeckt“, sagt sie.

Nachdem der erste große Traum Eröffnung einer Bäckerei aufgrund des fehlenden Meisterbriefs geplatzt ist, favorisiert das Paar die Variante eigenes Bistro. Trotz Unterstützung eines Beraters verläuft die Suche nach einem passenden Objekt ergebnislos. „In einer Annonce haben wir Ende April zufällig gelesen, dass ein Betreiber für eine frühere Gaststätte in Schweinitz gesucht wird.“ Nikolova und Chavdar sind überrascht, dass der Eigentümer der Immobilie ebenfalls Bulgare ist und haben vor Ort gleich Nägel mit Köpfen gemacht.

Der 51-Jährige berichtet von umfangreichen Renovierungsarbeiten. „Wir haben in drei Monaten alles schick gemacht“, erzählt Batanov und weist dabei auf Fußboden, Wände und die komplette Inneneinrichtung. „Sogar unsere Küche ist neu.“ Den Gastro-Quereinsteiger macht es stolz, dass sein handwerkliches Geschick gereicht hat, um mit seiner Frau hier einzuziehen. An den Wänden hängen Bilder mit Motiven der Lutherstadt. „Die hat eine befreundete Künstlerin aus Wittenberg gemalt“, klinkt sich seine Frau ein, die ihr Lokal „wie eine kleine Galerie“ empfindet. „Das gefällt uns beiden richtig gut“, meint sie.

Spezielle Kohlrouladen

Nach der ersten Flaute geht es langsam bergauf. Sie verteilen weiter fleißig Flyer, sind in den sozialen Netzwerken präsent, veröffentlichen ihre Tagesangebote. „Wir haben schon erste Stammgäste“, freuen sich beide, selbst für die Weihnachtsfeiertage gibt es Vorbestellungen. Was kommt in Bulgarien rund um das Fest traditionell auf den Tisch? „Kohlrouladen“, erzählt die 42-Jährige. Diese bilden sozusagen nur die oberste Schicht, denn darunter köcheln im Topf verschiedene Fleischsorten.

Mit ihrem Lokal – früher im Ort unter „Rosenschänke“ bekannt – versuchen sie, ein Stück Heimat mit nach Schweinitz zu bringen. An der Wand hängt eine bulgarische Fahne, das Ambiente im Innenraum bietet erwartete Standards, Musikinstrumente sind aufgebaut. „Wir wollen uns hier etwas aufbauen“, sagen sie und hoffen, dass die „schweren Zeiten in Bulgarien“ ein geschlossenes Kapitel sind. Trotzdem: „Wir vermissen unsere Heimat“, sagt Nikolova und fängt an zu weinen.