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Vortrag des Stiftungsdirektors Ist Martin Luther immer ein Mansfelder geblieben oder in Wittenberg heimisch geworden?

Vertrautes Essen, Familie und Schulfreunde: Der scheidende Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten, Stefan Rhein, spricht über Martin Luthers Heimat.

Von Jörg Müller 11.01.2023, 09:53
Im Museum Luthers Elternhaus in Mansfeld hat Stefan Rhein einen Vortrag über Luthers Heimat gehalten.
Im Museum Luthers Elternhaus in Mansfeld hat Stefan Rhein einen Vortrag über Luthers Heimat gehalten. (Foto: Jürgen Lukaschek)

Mansfeld/MZ - Was war Martin Luthers Heimat? Geht es nach seiner Biografie, liegt unter den drei mitteldeutschen Lutherstädten eine klar vorn: Immerhin 35 seiner 62 Lebensjahre hat der Reformator in Wittenberg verbracht und von hier aus in die Kirche und die Welt gewirkt. In Mansfeld dagegen, wo Luther aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, hat er gerade einmal 13 Jahre gelebt. Ist er trotzdem immer ein Mansfelder geblieben oder in Wittenberg heimisch geworden?

Stiftungsdirektor fühlt Verbundenheit zum Mansfelder Land

Dieser Frage ist Stefan Rhein, Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, in einem spannenden Vortrag im Museum Luthers Elternhaus in Mansfeld nachgegangen. Wie gewohnt kenntnisreich und rhetorisch brillant zog der Luther-Kenner das zahlreiche Publikum in seinen Bann.

Rhein, der zum letzten Mal in seiner Funktion als Stiftungsdirektor sprach, setzte damit auch einen sehr persönlichen Schlusspunkt unter seine Amtszeit. Denn auch wenn er naturgemäß vor allem am Hauptsitz der Stiftung in Wittenberg tätig gewesen ist, hat er aus seiner Verbundenheit zum Mansfelder Land nie einen Hehl gemacht.

Geboren in Eisleben

Wenige Monate nach Martin Luthers Geburt am 10. November 1483 in Eisleben war die Familie nach Mansfeld gezogen, wo sich der Vater Hans Luder schnell als erfolgreicher Hüttenmeister und Ratsherr etablierte.

Martin ging hier zur Schule, bis er 1497 an die Magdeburger Domschule wechselte. Nach Stationen in Eisenach und Erfurt, wo er zunächst studierte und dann ins Augustiner-Eremiten-Kloster eintrat, lebte er ab 1511 in Wittenberg.

„Die 13 Jahre in Mansfeld waren immerhin die zweitlängste Zeit seines Lebens an einem Ort“, so Rhein. „Das wissen viele gar nicht.“ Später sei Luther aber nur noch zwei Mal zu längeren Besuchen in Mansfeld gewesen: im Frühjahr 1525, kurz vor seiner Hochzeit, sowie 1545, als er hier einige Wochen gepredigt habe.

Keine „Liebesbeziehung“ zu Wittenberg

„Wittenberg war damals erstaunlich klein“, sagt Rhein. 1517 habe die Stadt etwa 2.700 Einwohner gehabt. Luther, der aus Erfurt mit 18.000 Einwohnern zuzog, habe Wittenberg eine „arme kleine Stadt“ genannt, die „am Rand der Zivilisation“ liege. Auch über die Wittenberger habe er kein gutes Wort verloren. Sie seien ein „unfreundliches, ungebildetes und undankbares Volk“. Luther habe hier zwar auch Freunde und ein Netzwerk gehabt, so Rhein. Insgesamt seien Luther und die Wittenberger aber nie zusammengekommen. „Das war keine Liebesbeziehung.“

„Wir wissen ja alle, dass Heimat viel mit Essen zu tun hat, mit den vertrauten Speisen aus der Kindheit“, sagt Rhein. „Das war auch bei Luther so.“ So habe er sich zum Beispiel immer über den schlechten Wein in Wittenberg geärgert und sich an den „reinen Wein“ in seiner mansfeldischen Heimat erinnert. Justus Jonas, der Luther auf seiner letzten Reise 1546 in die Grafschaft Mansfeld begleitete, habe später über den „kräftigen Appetit des Todkranken“ berichtet. „Durch das Essen aus seiner Kindheit fühlte sich Luther wieder zu Hause.“

Luther pflegte enges Verhältnis zu Verwandten und Schulfreunden in Mansfeld

Ein enges Verhältnis habe Luther sein Leben lang zu Verwandten und Schulfreunden in Mansfeld gepflegt, so etwa zu seinem Bruder Jakob und drei Schwestern, die mit Hüttenmeistern verheiratet waren. „Zu seiner Hochzeit hat Luther drei Mansfelder eingeladen, nicht etwa Melanchthon“, sagt Rhein. Auch der Pate seines ältesten Sohnes sei ein Mansfelder gewesen, Kaspar Müller.

Seinen Mansfelder Dialekt habe Luther in Wittenberg zwar schnell abgelegt. „Er hat aber oft noch Begriffe aus dem Mansfelder Bergbau verwendet.“ Sehr stark ausgeprägt sei Luthers regionale Identität und Loyalität gewesen. „Er empfand sich auch in Wittenberg weiter als Landeskind der Grafschaft Mansfeld.“ So war es dann auch keine Frage für ihn, seine letzte Reise anzutreten, als ihn seine Mansfelder Landesherren riefen - mitten im Winter bei Hochwasser und obwohl er schon krank war.

Rheins Fazit: „Luther ist nie Wittenberger geworden, sondern immer Mansfelder geblieben.“ Eisleben und Mansfeld seien sein „Vaterland“ gewesen. „Das Wort Heimat verwendet Luther nur für das Himmelreich.“ So fand dann auch in seinem „Vaterland“ Mansfeld 1562 die erste Lutherfeier überhaupt statt. Auch das zum Reformationsjubiläum 1817 errichtete Wittenberger Lutherdenkmal ging auf eine Initiative aus dem Mansfelder Land zurück.