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Vom Zuchthaus ins KZ Vom Zuchthaus ins KZ: Ausstellung mahnt vor NS-Verbrechen in Mansfeld-Südharz

Von Jörg Müller 16.09.2019, 04:00
Michael Viebig von der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle hat die Ausstellung mit seinem Kollegen Daniel Bohse konzipiert.
Michael Viebig von der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle hat die Ausstellung mit seinem Kollegen Daniel Bohse konzipiert. Jörg Müller

Eisleben - Zum Beispiel Curt Küttner. Der 1891 geborene Stedtener, dessen kommunistische Einstellung bekannt war, stand am 14. Juni 1940 vor dem Sondergericht Halle.

Küttner hatte verschiedene Rundfunksender gehört, um die Nachrichten über den Kriegsverlauf zu vergleichen, wie er gegenüber den Ermittlern der Gestapo aussagte.

Verbrechen im Namen des deutschen Volkes

Er wolle „feststellen, wer die Wahrheit sagt“. Wegen Verstoßes gegen die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ wurde Küttner zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.

Am Tag seiner Entlassung warteten Polizeibeamte vor dem Zuchthaus und nahmen ihn in Schutzhaft. Der Maurer und Bergmann starb am 27. Dezember 1944 in einem Außenlager des KZs Neuengamme.

Es ist eines von zahlreichen Schicksalen, die in der Ausstellung „Justiz im Nationalsozialismus - Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes in Sachsen-Anhalt“ dokumentiert sind.

Ermordet wegen des falschen Radioprogrammes

Die Wanderausstellung ist jetzt im Eisleber Amtsgericht, Friedensstraße 40, eröffnet worden. Interessierte Bürger können sie bis zum 18. Oktober ohne Anmeldung während der Sprechzeiten besichtigen.

Der polnische Zwangsarbeiter Victor Jakubowski, der in seiner Unterkunft in Allstedt ausländische Radiosender gehört hatte, wurde 1942 sogar zum Tode verurteilt.

Das Sondergericht begründete, er habe „das deutsche Gastrecht und die von ihm geforderte Gehorsamspflicht in der übelsten Weise missbraucht“. Der Oberstaatsanwalt bezeichnete Jakubowski als „fanatischen Polen, der rücksichtslos ausgemerzt werden muss“.

„Die Sondergerichte haben gegen alle juristischen Grundsätze verstoßen“, sagt Michael Viebig. Der Historiker von der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle hat gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Bohse von der Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg die Wanderausstellung konzipiert.

Sie wird seit zehn Jahren in Gerichten, Schulen und anderen Einrichtungen gezeigt. Dabei erweitern Viebig und Bohse die Ausstellung ständig um regionale und inhaltliche Aspekte.

Vom "Volksgericht" zum Tode verurteilt

„Für Eisleben haben wir drei neue Schwerpunkte gesetzt“, sagt Viebig. Aus mittlerweile insgesamt 150 Tafeln werden für jede Station rund 40 ausgewählt. Ausrichter der Wanderausstellung sind neben der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt das Justizministerium des Landes, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Amtsgerichtsdirektor Steffen Lutz weist auf den bekannten Fall Elise und Otto Hampel hin, der ebenfalls in der Ausstellung dokumentiert ist und der die Grundlage für Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ bildete.

Nachdem Elises Bruder 1940 im Krieg gefallen war, verteilte das Ehepaar in der Stadt Postkarten und Handzettel, auf denen zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufgerufen wurde. 1942 wurden sie verhaftet und 1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.

„Der Verteidiger hat sich im Prozess seine Robe ausgezogen und die Todesstrafe gefordert“, sagt Lutz. Dabei habe die heutige Strafprozessordnung, die jedem Angeklagten ein faires Verfahren garantiere, im Wesentlichen auch damals schon gegolten.

Richter sprechen Unrecht

„Daran sieht man, dass es nicht auf die Gesetze ankommt. Das Recht wird von Menschen gesprochen“, so der Direktor.

Das unterstreicht auch Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU). „Die Gesetze müssen mit der Menschenwürde, den Grund- und Freiheitsrechten rückgekoppelt werden.“ In der Nazizeit sei zum Teil mit dem noch heute geltenden Instrumentarium Unrecht gesprochen worden.

Die Ausstellung kann zu den Sprechzeiten des Amtsgerichts besichtigt werden: Montag, Mittwoch, Donnerstag, 9 bis 15.30 Uhr, Dienstag, 9 bis 17 Uhr, Freitag, 9 bis 13 Uhr. Führungen können unter Telefon 03475/65 78 47 vereinbart werden. (mz)