Rätsel um Sturzflug in Süßen See Rätsel um Sturzflug in Süßen See: "Maschine und Mensch wurden vom See verschlungen"

Seeburg - Die Liste der jüngsten archäologischen Funde im Süßen See ist lang, sie reicht von mittelalterlicher Keramik bis hin zu Spuren aus der Bronzezeit. Hinweise auf den Absturz eines Militärflugzeuges vor reichlich 100 Jahren fanden sich hingegen keine.
Die Maschine vom Typ „Taube“, die seinerzeit etwa 100 Meter westlich von Schloss Seeburg verunglückte, dürfte auch nicht lange auf dem Grund des Sees gelegen haben. Sie wurde mit Sicherheit geborgen, wenngleich darüber nichts bekannt ist.
Jeden Tag Kriegsflugzeuge über dem See
Über den Hergang des Unglücks gibt jedoch ein Augenzeuge Auskunft: Fritz Wöhlbier (1872-1954), langjähriger Vorsitzender des Vereins für Naturkunde Eisleben und Umgebung.
Mit einem Fernrohr stand er zufällig an jenem Oktobertag des Jahres 1918 bei Seeburg auf dem Wachhügel und beobachtete Übungen des Militärs, wie in seinem Buch „Aus dem Mansfelder Seengebiet“ (1933) zu lesen ist.
„Jeden Tag kamen von Halle die Kriegsflugzeuge angesurrt“, berichtet er und dass die Zugangswege zum Wasser deshalb gesperrt waren. „Von der Seeburger Dorfstraße“, schreibt er weiter, „ging eine schwere Landungsbrücke in den See hinaus. Ein Motorboot lag am Brückenpfeiler.“
Schüsse auf den See
Mitten im See bei Aseleben war ein großes Floß verankert, auf dem sich die Zielscheibe befand. Wöhlbier beobachtete zunächst einen Doppeldecker, der in großen Schleifen über das Tal donnerte.
„Jedesmal, wenn er die Längsachse des Sees flog, prasselten aus seinen Maschinengewehren die Geschosse in den See hinunter, daß die Fluten aufspritzten“, so Wöhlbier. Eine zweite Maschine näherte sich, eine „Taube“. Wöhlbier verfolgte das Flugzeug mit seinem Fernrohr.
„Jetzt macht es aus dem Himmel heraus einen prächtigen Sturzflug“, berichtet er. „In windender Fahrt schießt es nach unten. Da kommt schon das Wasser in den Sichtkreis. Jetzt muß es steigen. Halt! Halt! Auf spritzt das Wasser. Eine kreisrunde Welle brandet über den ruhigen Wasserspiegel, das Flugzeug ist in den See gestürzt! Der Motor hatte ausgesetzt. Maschine und Mensch wurden vom See verschlungen!“
Motorboot rückt zur Rettung aus
Der Beobachter des Geschehens ist entsetzt, er sieht nur noch ein Stück Leitwerk, das aus dem Wasser ragt. „Qualvolle Minuten vergehen, bis ein Kopf aus dem Wasser auftaucht“, schreibt er und erwähnt noch einen zweiten Flieger.
„Beide schwimmen langsam im kalten Oktoberwasser nach dem Nordufer. Endlich kommt das Motorboot in Fahrt. Wie langsam das schleicht! Aber noch sind die beiden Verunglückten über Wasser. Nun fährt das Boot am Schlosse vorbei, erreicht die Flieger. Schnell ziehen starke Arme die Männer in das Boot. Am Ufer tragen die Soldaten einen Verunglückten zum Schloss, der andere geht mit blutendem Gesicht nebenher. . .“
Trauer um toten Piloten
Soweit Wöhlbiers Erinnerungen, aus denen hervorgeht, dass für einen der beiden Flieger jede Hilfe zu spät kam. „Immer, wenn mich mein Weg zum Wachhügel führt, muß ich nach jener Unglücksstelle blicken und an das junge, ach so früh verlorene Leben denken“, endet der Bericht. (mz)
