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MZ-Krimiserie MZ-Krimiserie: Nach Millionenraub bringen verräterische Spuren den Fahndungserfolg

Von Wolfram Bahn 12.08.2016, 17:00
In diesem Gasthof in Trebitz an der Saale war ein Teil der Beute versteckt. Der Gastwirt gehörte zu den drei Tätern des Raubzuges.
In diesem Gasthof in Trebitz an der Saale war ein Teil der Beute versteckt. Der Gastwirt gehörte zu den drei Tätern des Raubzuges. Jürgen Lukaschek

Hettstedt - Es war der erste große Fall nach dem Ende der DDR, den der damalige Ermittler Heinz Klockow nicht vergessen kann. Und das lag auch an den ungewöhnlichen Umständen des vermeintlichen bewaffneten Überfalls auf einen gepanzerten Geldtransporter.

Es war der 2. März 1992, als auf dem Hettstedter Revier die Meldung dazu einging. Sie kam von den zwei Fahrern des Transporters, der nach ihren Schilderungen auf der Straße zwischen Polleben und Gerbstedt von drei maskierten Tätern gestoppt und später in einem Waldstück bei Gorenzen ausgeraubt worden sein sollten.

Fahrzeug stand bei Gorenzen

Der heute 69 Jahre alte pensionierte Polizeibeamte hat deren Beschreibung der Täter noch im Ohr. Ihren Berichten zufolge hatte ein grauer Pkw Opel mit Fließheck den Geldtransporter kurz vor Friedeburg überholt, sich quergestellt und das Fahrzeug zum Halten gezwungen.

Nach ihren Angaben waren es drei schwarzgekleidete Männer, zwischen 1,65 m und 1,80 m groß. Sie hätten graue Gesichtsmasken getragen und seien mit Maschinenpistolen sowie einer Panzerfaust bewaffnet gewesen. Solch einen Überfall hatte es bis dahin im Mansfelder Land noch nicht gegeben.

Doch es kam noch besser: Die Täter hätten die zwei Männer von der Wach- und Sicherheitsgesellschaft zum Aussteigen gezwungen, erzählten die beiden Fahrer. Sie sollen dann auf der Erde gelegen haben, gefesselt und geknebelt worden sein. Und sie hätten den Trommelrevolver, der zur Ausrüstung der Fahrer gehörte, mitgenommen. Ein Umstand, der noch wichtig werden sollte.

1,2 Millionen D-Mark erbeutet

Die Männer seien dann mit dem Transporter sowie ihrem Pkw etwa 25 Kilometer weiter in Richtung Harz gefahren. Etwa drei Kilometer von Gorenzen entfernt in der Nähe einer Wald-Gaststätte sollen die Täter den Transporter bis auf das Kleingeld leer geräumt haben.

Und die Summe war stattlich: Etwa 1,2 Millionen D-Mark in Scheinen hatten sie mitgenommen. Nach Angaben der zwei Sicherheitskräfte sind ihnen Handschellen angelegt worden. Man habe sie geknebelt und zur Irreführung im Wald herumgefahren.

Sie hätten sich aber selbst befreien und dann die Polizei in Hettstedt alarmieren können, schilderten sie den Ablauf. Die Beamten informierten sofort die Polizei-Inspektion in Eisleben, die damals für solcherart Kapitalverbrechen in der Region zuständig war.

Schnell kommen Zweifel auf

Es wurde unverzüglich eine deutschlandweite Fahndung herausgegeben. Und eine Sonderkommission unter Leitung von Kriminalrat Hartmut Jaspers gebildet. Anhand der Schilderungen gingen die Ermittler anfangs von Profis aus, die den Überfall bewerkstelligt hätten.

Doch schnell kamen Zweifel auf und das hatte maßgeblich mit Erkenntnissen zu tun, die die Kriminaltechniker der Kripo in Hettstedt gewonnen haben.

Heinz Klockow war von 1973 bis 2005 bei der Polizei. Seine Laufbahn als Kriminalist begann er in Halle, später wechselte er nach Eisleben und dann nach Hettstedt. Dort hat er bis 2005 das Polizeirevier geleitet. In all den Jahren hat Klockow spektakuläre Kriminalfälle erlebt und auch bei schweren Unglücken mit seinem Team ermittelt. Für die MZ berichtet er exklusiv über diese Fälle, die zu DDR-Zeiten geheim gehalten wurden. (mz)

Dorthin war der Geldtransporter gebracht worden. Schon nach der ersten Untersuchung des Fahrzeuges wurde der Kriminaltechniker Erich Knochenhauer stutzig. Er entdeckte im Handschuhfach den Revolver, den die Räuber angeblich mitgenommen hatten.

Und beim näheren Betrachten der Handschellen stellte er fest, dass keine Spur von Dreck an ihnen war. Und das, obwohl doch die Fahrer beschrieben hatten, wie sie sich gefesselt auf den Boden legen mussten. Auch sonst waren keine Spuren von den vermeintlichen maskierten Tätern zu finden.

„Du Heinz, hier stimmt irgendetwas nicht“, meldete Knochenhauer damals bei seinem Chef erhebliche Zweifel an der geschilderten Version des Überfalls an. Und er sollte recht behalten. Sechs Wochen später, Mitte April 1992, konnte Jaspers Soko bekanntgeben, dass der vermeintliche Raubzug aufgeklärt worden ist.

Fahrer des Geldtransporters legen Geständnisse ab

Die beiden Fahrer des Geldtransporters hatten den Überfall fingiert. Sie legten Geständnisse ab. Ein Großteil der Beute konnte sichergestellt werden. Auch ein dritter Komplize wurde schnell gefunden.

Es handelte sich um den Gastwirt der Ausflugsgaststätte „Saalekrug“ in Trebitz bei Kloschwitz. Ein kleiner Ort an der Saale, der nicht weit weg von Friedeburg liegt, dort, wo angeblich der Geldtransporter von den maskierten Männern gestoppt wurde. In dem Lokal, in dem früher immer der Ball zum Kloschwitzer Blütenfest über die Bühne ging, hatte er mehrere Hunderttausend D-Mark von der Beute versteckt.

Spezialspürhunde im Einsatz

Die Kriminaltechniker Heinz Wieland und sein Kollege Knochenhauer waren für den früheren Chefermittler Heinz Klockow auch in vielen anderen Fällen eine große Unterstützung. So, als sie auch eine Einbruchsserie in Gerbstedt aufklären konnten. Anhand von Hand- und Fingerabdrücken, die die Techniker sichergestellt hatten, wurde ein Tatverdächtiger ermittelt. Im Zuge der weiteren Ermittlungen mit Vernehmungen und Hausdurchsuchungen habe man ihn überführen können, so Klockow.

Aus seiner Sicht musste ein Kriminaltechniker in jener Zeit vor allem logisch denken und sich in die Vorgehensweise des Täters hineinversetzen können. „DNA-Auswertungen, die heutzutage gang und gäbe sind, gab es damals noch nicht“, so der frühere Polizeichef des Landkreises Hettstedt.

Wenn auch die Techniker nicht weiter kamen, wurden sogenannte Differenzierungshunde eingesetzt, die heute noch in der Polizeihundeschule in Pretzsch ausgebildet werden.

Ein Streichholz wird zum Verhängnis

Das war auch der Fall bei einer Brandstiftung im Jahre 1986 in einer Wohnung am Hettstedter Markt. Verdächtigt wurde die Ex-Freundin des Wohnungsinhabers. Ihr wurde zum Verhängnis, dass sie das Streichholz, mit dem sie die Couch anzündete, in der Wohnung verlor.

Es wurde gesichert und später bei einem Geruchsabgleich in einem sterilen Raum verwendet. Dazu musste der Hund den Geruch des Streichholzes aufnehmen und einem von mehreren Tüchern zuordnen. „Und er legte sich zum Tuch der Ex-Freundin“, so Klockow. (mz)

Beim nächsten Mal geht es um die Suche nach dem Bernsteinzimmer.

So berichtete die MZ über den größten Geldraub in Sachsen-Anhalt.
So berichtete die MZ über den größten Geldraub in Sachsen-Anhalt.
Wolfram Bahn