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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Rot-Weiße Irritationen

Von wolfram bahn 07.06.2012, 17:19

eisleben/MZ. - Rolf Winkler ist Fußballfan und als solcher fiebert er natürlich der Europameisterschaft entgegen. Der Eisleber Geschäftsmann fährt sogar am Freitagabend mit sieben Freunden nach Polen, doch nicht, um dort ein Spiel live zu erleben, sondern zu einer Segelregatta. "Die Ausrichter haben uns versprochen, dass sie am Sonnabend das Spiel Deutschland gegen Portugal auf Großleinwand übertragen. Sonst wären wir nicht gekommen", erzählt Winkler. Er hofft, dass die Autobahn nicht von deutschen Fußballfans verstopft sein wird.

Dass die Anhänger des runden Leders in Scharen ins Nachbarland oder in die Ukraine, dem zweiten Ausrichterland, pilgern wollen, kann man zumindest bei Atlasreisen nicht bestätigen. Das Gegenteil ist der Fall. "Die Nachfrage hält sich in Grenzen", sagt Renate Benndorf, Mitarbeiterin des Reisebüros in der Nähe des Marktes.

Es gebe zwar spezielle EM-Reisekataloge, aber dafür interessiert sich kaum jemand. Vielen sei insbesondere die Ukraine derzeit nicht ganz geheuer. Außerdem hätten die Preise für Hotels und andere Übernachtungsorte extrem angezogen. "Das schreckt viele ab", glaubt die Reiseverkaufsfrau.

Sie selbst drückt der Mannschaft von Jogi Löwe die Daumen, hat allerdings nach den letzten Auftritten ihre Bedenken, ob diesmal der große Wurf, also der Titelgewinn, gelingt. Geschäftsinhaber Maik Ziener hat dennoch schon mal einen EM-Pokal aus Schokolade ins Schaufenster gestellt. Auch Dieter Turzer, der mit seinem Taxi in der Sangerhäuser Straße auf Patienten wartete, ist noch skeptisch. "Das erste Spiel gegen Portugal ist entscheidend", schätzt er ein. Der Röblinger ist Fan von Romonta Stedten, das in dieser Saison fast aus der Landesliga abgestiegen wäre. "Hoffen wir mal, dass es für Deutschland besser läuft." Das wünscht sich auch Kerstin Skubela, die Verkäuferin in "Luthers Modestübchen" am Markt. Sie hat den Glauben an die Löw-Elf nach dem Testspiel-Debakel gegen die Schweiz (2:5) fast verloren, räumt sie ein.

Polen-Fan ist sie deshalb aber noch lange nicht geworden, obwohl sämtliche Schaufenster-Puppen rot-weiß, also den Nationalfarben unseres Nachbarlandes, angekleidet sind. "Das ist nur Zufall wegen der Mode, in der vorigen Woche war alles in grün", sagt sie lachend, ehe sie wieder im Laden verschwindet.

Ein Stück weiter hat jemand den Namen von Cristiano Ronaldo an einer Tür "verewigt", offenbar ein Fan des portugiesischen Superstars, der mit einer Wucht wie kaum an anderer an die Bälle tritt. Deswegen brauche sich Deutschland jedoch noch lange nicht vor Ronaldo fürchten, meint Lars Müller im Sportgeschäft im Waagehaus.

Bei ihm kann man sich mit den verschiedenen Trikots der deutschen Nationalmannschaft eindecken. Und auch ein echter EM-Ball prangt an der Wand. Der stolze Preis von 129,95 Euro hat wohl bisher alle abgeschreckt. Denn gekauft hat ihn noch keiner. Müller denkt, dass der Souvenirverkauf erst richtig anrollt, wenn die EM begonnen hat und Deutschland seine Spiele gewinnt. Darauf setzt man auch im benachbarten Thalia-Laden, das im Schaufenster ein Sortiment an Fußball-Büchern feil bietet, und im Modegeschäft AWD im Gewerbegebiet "3E", wo Verkäuferin Kathrin Bellstedt am Donnerstag schon mal zur Probe im EM-Dress die deutsche Fahne schwenkt.

Francesco Micchia hält das für vergebliche Liebesmühe. Der Geschäftsführer des italienischen Restaurants "Fellini" am Knappenbrunnen sieht keinen der Favoriten vorn. "Ich glaube, es wird eine Überraschung geben", beantwortet er die Frage nach dem Europameister 2012. Offenbar schließt er dabei aber seine Tifosi mit ein, deren Aufritt allerdings von einem Wettskandal überschattet wird. 2006 sei es ähnlich gewesen, sagt er und fügt an: "Und damals sind wir am Ende Weltmeister geworden."