Helftaer schreibt Buch über sein Leben Helftaer schreibt Buch über sein Leben: "Da gab es immer noch ein Hintertürchen"

Hedersleben - Was macht ein Mensch, der dem Tod gerade noch so von der Schippe gesprungen ist, und der dadurch ein Jahr später im trauten Heim in Hedersleben seinen 70. Geburtstag feiern konnte. Er setzt sich hin und bringt seine Lebenserinnerungen zu Papier, bevor sie im Nirvana verschwunden sind. Genau das hat Christian Schaarschmidt getan. Und heraus gekommen ist ein 272 Seiten langes Buch, das er eigentlich „für seine Kinder und Enkel geschrieben hat“, wie er der MZ erzählte.
Bei einem Treffen mit Mitgliedern eines anderen Lions-Clubs gab Christian Schaarschmidt einige Episoden aus seinem Leben zum Besten. Unter den aufmerksamen Zuhörern befand sich auch Herbert Mönning, der in Iserloh einen Verlag besitzt. Er regte den Hederslebener an, seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben. Sie sind erhältlich im Buchhandel unter ISBN 978-3-933519-68-9.
So ist unter dem Titel „Da gab es immer noch ein Hintertürchen“ ein sehr persönliches Buch entstanden mit vielen Episoden aus dem Familienleben. Und Erlebnissen mit einer Menge an Leuten, die zumindest den älteren Eislebern geläufig sein dürften. Es ist aber zugleich auch ein interessanter Rückblick auf ein Stück deutsch-deutscher Geschichte seit Ende des Krieges, die ein Mann erlebt hat, dessen Schicksal von Anfang an mit dem Kloster Helfta verbunden ist.
Dort im Herrenhaus der einstigen preußischen Domäne hat Christian Schaarschmidt im Jahr 1944 das Licht der Welt erblickt. Sein Vater Karl leitete seit 1938 das Gut auf dem Gelände des Klosters, das 1542 aufgelöst worden war und nach dem Ende der DDR wiederbelebt wurde. Ein dramatischer Einschnitt im Leben von Schaarschmidt kam 1945 mit dem Untergang des Naziregimes und dem Einmarsch der Sowjetarmee.
Die Russen, wie jedermann sie nannte, richteten im Herrenhaus der Domäne ihre Kommandatur ein. Ein verhängnisvoller Schritt für die Familie. Nur wenige Wochen später, am 7. Oktober, kam es auf der Bundesstraße 80 an der Bruchmühle zu einem tragischen Autounfall, bei dem zwei sowjetische Offiziere und Karl Schaarschmidt, der mitfahren musste, ihr Leben verloren. So wuchs der Junge ohne Vater auf. Geblieben ist die Liebe zur Landwirtschaft, die auch seine Karriere geprägt hat.
Und das in zwei deutschen Staaten unter gänzlich verschiedenen Bedingungen. Christian Schaarschmidt schildert, wie seine Mutter, eine gebürtige Schweizerin, Neubauerin wurde und später die LPG in Helfta mitbegründet hat. Ihr Sohn tritt in ihre Fußstapfen. Als LPG-Chef in Hedersleben hat er die „sozialistische Kollektivierung auf dem Land“, im damaligen Kreis Eisleben mitbestimmt. Er schafft einen Vorzeigebetrieb, versucht mit Bauernschläue und „Vitamin B“ das Beste für seine Leute rauszuholen und kommt heute doch zu der schmerzlichen Erkenntnis, „dass wir ein historisches Verbrechen begangen haben, weil solche Betriebe durch ihre Leistungen das Regime stabilisiert und somit dessen Lebenszeit verlängert haben“.
Frank und frei von der Leber weg
Froh ist er bei alledem, dass es keinen „heißen“ Krieg gab. Im Jahre 1968 hat der damals junge Familienvater hautnah miterlebt, wie sowjetische Panzer den „Prager Frühling“ in der CSSR niederwalzten. Als Soldat der Nationalen Volksarmee lag er in jenem Sommer wochenlang im Erzgebirge in einem Feldlager und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er nicht mit einmarschieren musste.
Da war es wieder das vielbeschworene „Hintertürchen“, das ihm oft genug zugutekam. So auch 1989 nach dem Mauerfall, mit dem er so nicht gerechnet hatte, wie er freimütig bekennt. Auch sonst schreibt er frank und frei von der Leber weg, wie er sich immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt sah. Christian Schaarschmidt wollte nicht einfach kneifen, erst recht nicht, als ihn seine Beschäftigten zum Chef der neuen Agrargenossenschaft wählten. Seine Erlebnisse aus dieser Zeit vermitteln ein Einblick, wie sich der Wandel auf dem Lande vollzog.
Er ist heute dankbar für die Einheit, Sympathisant der CDU und Mitglied im Lions-Club. Das Reisen ist ihm und seiner Frau Gudrun zur Leidenschaft geworden. Der Ausflug nach Wien vor zwei Jahren musste allerdings ausfallen. Seine Frau bekam vorher ihr zweites künstliches Kniegelenk und er war an einem Fernsehabend plötzlich umgefallen. Diagnose: Hirnbluten.
Die Rettungsstelle setzte eine Meldung an den Notarzt mit falscher Ortsangabe ab. Zum Glück hatte an jenem Tag der Hausarzt der Familie Dienst. Der lenkte seinen Fahrer sofort nach Hedersleben. Und so überlebte der Patient. (mz)
