CDU-Aussteiger bleibt im Amt Zank wegen Stellvertreterposten im Stadtrat Halle
Der Ex-CDU-Mann Andreas Schachtschneider bleibt stellvertretender Stadtratsvorsitzender. Warum sich die Räte nicht auf eine Abwahl einigen konnten.

Halle (Saale) - Ein unüberhörbares Raunen ging am Mittwochnachmittag durch die Reihen im Stadtrat. Soeben war das Ergebnis zur Abwahl des stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden vorgelesen worden und zur Überraschung vieler gab es keine ausreichende Mehrheit für eine Neubesetzung. Andreas Schachtschneider (fraktionslos) bleibt im Amt. 43 Stadträte hatten abgestimmt, 24 waren für eine Abwahl, es hätten jedoch mindestens 29 sein müssen.
„Ich hatte eigentlich damit gerechnet, abgewählt zu werden“, sagt Andreas Schachtschneider am Donnerstag auf MZ-Nachfrage. Der 60-Jährige war im April im Zuge der Impfaffäre aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen worden, weil er monatelang seine vorgezogene Corona-Impfung verheimlicht hatte (die MZ berichtete). Daraufhin hatte die CDU beantragt, Schachtschneider von seinem Amt abzuwählen und stattdessen CDU-Mann Bernhard Bönisch neu zu wählen.
CDU sieht Schuld bei anderen
Dass es nun gar nicht erst zur Neuwahl kam, lässt die Christdemokraten in Halles höchstem kommunalpolitischen Gremium nicht gut dastehen. Eigentlich gilt in der Stadt seit Jahren die ungeschriebene Regel, dass die größten Fraktionen das Vorschlagsrecht für die Stadtratsvorsitzenden haben. Der CDU bleibt dieses Recht nun verwehrt.
-> zum Kommentar: Eine schwache Vorstellung der Stadträte in Halle
CDU-Fraktionsvorsitzender Andreas Scholtyssek wirkte am Donnerstag etwas zerknirscht. Er bezeichnete die Wahl vom Mittwoch als „ärgerlich“. Bei der Sitzung hätten zu viele Stadträte gefehlt, die für die Mehrheit nötig gewesen wären. Er kritisiert vor allem die Grünen, die sich „leider nicht als zuverlässiger Partner“ erwiesen hätten.
Tatsächlich haben nicht nur drei Grünen-Räte bei der Abstimmung gefehlt, sondern die Fraktion hatte offenbar auch ein Problem mit dem CDU-Kandidaten Bönisch. „Wir hätten gerne einen anderen Personalvorschlag gesehen“, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzende Melanie Ranft am Donnerstag auf MZ-Nachfrage. Anstelle des 67-Jährigen hätte die CDU laut Ranft lieber einen jüngeren Kandidaten aufstellen sollen. Die Abwahl Schachtschneiders sei aber nicht an den Grünen gescheitert. Eine Absprache, als Fraktion geschlossen gegen die Neuwahl zu stimmen, habe es nicht gegeben, sagt Ranft.
Wie es weitergeht
Scholtyssek kündigte an, die Wahl intern auszuwerten und das weitere Vorgehen zu beraten. Dass die CDU in den nächsten Wochen erneut versucht, den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden neu zu besetzen, gilt als unwahrscheinlich. Solange Schachtschneider nicht von sich aus zurücktritt oder sich andere grundlegende neue Fakten ergeben, bleibt das Wahlergebnis für mindestens sechs Monate gültig.
„Ich sehe keinen Grund, warum ich zurücktreten sollte“, sagt Schachtschneider. Er spüre nach wie vor das Vertrauen vieler Räte und könne das Amt auch als Fraktionsloser ausüben. Schachtschneider wurde 2019 zum ersten stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden hinter Katja Müller (Die Linke) gewählt. Die Aufgaben des Vorsitzenden bestehen hauptsächlich darin, regelmäßig die Sitzungen vorzubereiten, alle Teilnehmer einzuladen und die Diskussionen zu führen. Der Vorsitzende hat politisch die gleiche Macht wie jedes andere Stadtratsmitglied, er kann jedoch Räte zur Ordnung rufen oder im Ernstfall sogar von der Sitzung ausschließen. (mz)