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Ehrenamt Wie Vierjährige in Halle von einer Olympionikin schwimmen lernen

Sibylle Ermisch war früher Spitzensportlerin. Nun ist sie Erzieherin und nimmt auch die ganz Kleinen mit in die Schwimmhalle. Sie setzt auf Spiel und Disziplin.

Von Phillip Kampert 21.12.2021, 18:30
Schwimmunterricht mit Sibylle Ermisch in der Robert-Koch-Schwimmhalle in Halle.
Schwimmunterricht mit Sibylle Ermisch in der Robert-Koch-Schwimmhalle in Halle. Foto: Silvio Kison

Halle (Saale)/MZ - Der Ton einer Trillerpfeife schallt durch die leicht chlorige Luft der Schwimmhalle. Synchron springt eine Handvoll Kinder vom Beckenrand ins Wasser. Für ein paar Momente bewegen sie sich zwischen Rand und der Begrenzung der Außenbahn hin und her, ehe sie das Becken wieder verlassen. Ohne dass Schwimmlehrerin Sibylle Ermisch noch etwas sagen müsste, stellen sich die Kinder wieder in einer Reihe auf, warten auf den nächsten Pfiff.

Einzigartiges Szenario

Alles an dieser Szene ist außergewöhnlich. Ermisch ist ehemalige Spitzensportlerin. Die geborene Wittenbergerin verpasste bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau nur um Haaresbreite den Sieg über 200 Meter Schmetterling. Die Schwimmhalle vom SV Halle, in der sie nun ihre Schützlinge auf das Seepferdchen vorbereitet, ist ein Landesleistungszentrum, hier werden angehende Profisportler trainiert - aber eben auch die Kinder unter Ermischs Obhut, die mittlerweile zu Übungen mit Schwimmbrettern übergegangen sind.

Es ist kein gewöhnlicher Kurs. Die Schwimmschüler sind noch im Kindergartenalter, teils erst vier Jahre alt. Früher als üblich bereiten sie sich auf ihr Seepferdchen vor. „Es war ein Experiment“, erzählt Ermisch. Nach ihrer Karriere als Sportlerin wurde sie Pädagogin, arbeitet mittlerweile als Erzieherin. Ihre Arbeit in der Schwimmhalle ist ehrenamtlich. Sie stellte fest, dass viele Kinder ihrer jüngeren Kindergartengruppe Geschwister hatten, die als Fünf- oder Sechsjährige mit dem Schwimmenlernen begannen. Die Idee: Können diese Schwimmschüler ihre neuen Fertigkeiten nicht der Gruppe der jüngeren Geschwister weitergeben?

Synchron gehts ins Wasser.
Synchron gehts ins Wasser.
Foto: Silvio Kison

Seit Mitte des Jahres läuft der Versuch. Zwei Mal die Woche geht Ermisch direkt vom Kindergarten zur Schwimmhalle (natürlich kommen auch diejenigen mit, die keine eigenen Geschwister in der älteren Gruppe haben). Mittlerweile brauchen die Kleinen die Anleitung ihrer Brüder und Schwestern nicht mehr - Ermischs Methode hat sie an die Bewegung im Wasser gewöhnt: „Es muss spielerisch sein und Spaß machen“, sagt die 57-Jährige. Wichtig sei außerdem, dass die Kinder in einer angstfreien Atmosphäre lernen könnten, auf ihr Können zu vertrauen.

Es sind nicht die gleichen Methoden, mit der Ermisch früher selbst das Schwimmen gelernt hat. „Die Welt hat sich weitergedreht“, sagt sie. Und dennoch ist da neben der modernen Erzieherin noch etwas von der disziplinierten Olympionikin an ihr. Eine schöne Umgebung sei wichtig, ebenso aber „Grenzen, Regeln und Normen“. Bei allem Spieltrieb gehe es nicht darum, zu planschen. Im Wasser dürfe nicht jeder machen, was er wolle. „Es geht darum, früh zu fordern“, sagt sie, also die Kinder an Herausforderungen heranzuführen. Zum Beweis dafür, dass ihre Methode die richtige ist, zeigt sie auf ihre Schützlinge und strahlt. Am Anfang wären einige noch wasserscheu gewesen oder geneckt worden. Mittlerweile seien sie ein Team, Freundschaften seien entstanden, und es sei eine Freude, den Kindern beim Entwickeln von Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein - im Wasser und an Land - zuzusehen. „Wie stolz sie sind“, sagt Ermisch zufrieden.

Sybille Ermisch schaut bei aller spielrischen Atmosphäre immer auf die richtige Haltung.
Sybille Ermisch schaut bei aller spielrischen Atmosphäre immer auf die richtige Haltung.
Foto: Silvio Kison

Insgesamt 22 Kinder haben den Seepferdchen-Kurs bei Ermisch begonnen. Die meisten haben ihr Abzeichen mittlerweile auch geschafft. Und nachdem sie all ihre Übungen absolviert haben, wird am Ende der Stunde zur Belohnung doch noch geplanscht: Im 32 Grad warmen Kinderbecken.