Prozess um Korruption am Bau Wie sich ein bestechliches Ehepaar um 196.000 Euro privat bereicherte
Ehemaliger Behördenmitarbeiter bricht nach anfänglichem Zögern im Korruptionsprozess vor dem Landgericht sein Schweigen.

Halle (Saale)/MZ - Im Prozess um Korruption am Bau hat ein ehemaliger Verwaltungsmitarbeiter am Montag überraschend ein Geständnis abgelegt. Er schilderte am zweiten Prozesstag, dass bei von ihm vorgenommen Vergaben öffentlicher Aufträge immer auch Geld für seine Familie abfiel - über Scheinrechnungen an die Firma seiner Frau oder weil diese Firma tatsächlich einen Auftrag von den zum Zuge gekommenen Unternehmen erhielt.
Vier Personen wegen Korruption in den Jahren 2008 bis 2014 angeklagt
In dem Verfahren müssen sich vier Angeklagte verantworten: der Ex-Verwaltungsmitarbeiter, seine Ehefrau, der ehemalige Geschäftsführer einer Baufirma und ein früherer Mitarbeiter eines Telekommunikationsunternehmens. Alle Angeklagten sind inzwischen Rentner; die ursprünglichen Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft beziehen sich auf die Jahre 2008 bis 2014 und auf eine Summe von 196.000 Euro. Ein Teil dieser Taten ist nach Auffassung des Gerichts allerdings verjährt, so dass es jetzt noch um etwa 60.000 Euro geht, die dem einstigen Behördenangestellten und seiner Frau zugeflossen sein sollen.
Im Raum stehen nun zumindest für drei Angeklagte Bewährungsstrafen - wenn sie umfassende Geständnisse ablegen, wie der Vorsitzende Richter Helmut Tormöhlen zum Verhandlungsauftakt vor zwei Wochen deutlich gemacht hatte. Die Gelegenheit dazu bestand nun am Montag. Der Ex-Geschäftsführer lehnte zunächst ab, sich zu äußern, und ließ später seinen Verteidiger erklären, er weise die Anklagevorwürfe zurück. Der frühere Angestellte des Telekommunikationsunternehmens räumt laut seinem Anwalt die ihm vorgeworfenen Taten ein.
Ehefrau hat Scheinrechnungen für Vorteile bei der Auftragsvergabe erstellt
Der heute 65 Jahre alte Verwaltungsmitarbeiter schließlich ließ zunächst erklären, das Ganze sei ins Rollen gekommen, weil er seine Ehe stabilisieren wollte. Er sei immer davon ausgegangen, dass seine Frau alle Leistungen auch erbracht habe. Von geflossenem Geld habe er nie profitiert. Die Verteidigerin der Ehefrau erklärte anschließend, ihre Mandantin habe teils Scheinrechnungen ausgestellt in dem Wissen, dass es sich um Gegenleistungen für Vorteile bei der Auftragsvergabe handelte. Die Firma habe durchaus auch Leistungen erbracht - aber eben auch „in nicht unerheblichem Umfang“ Scheinrechnungen erstellt.
Dem Gericht genügten diese Äußerungen nicht. Die Kammer sei der Meinung, dass die Erklärungen der Eheleute nicht als Geständnisse zu werten seien, sagte Richter Tormöhlen. Deshalb wolle die Kammer ihr Angebot zur Verständigung widerrufen. An die Ehefrau gewandt, sagte er: „Es entsteht hier der Eindruck, dass Ihnen der Schwarze Peter zugeschoben werden soll. Aber Sie wollen auch aus der Nummer raus.“
Ehefrau zeigt sich geständig
Die Frau berichtete nun, sie habe das Geld für betriebliche und familiäre Zwecke ausgegeben. Wer die Idee hatte, mit Absprachen zur Auftragsvergabe ihre Firma zum Laufen zu bringen, könne sie allerdings nicht mehr sagen. „Das ist gewachsen.“ Diese und ihre Aussage zur Höhe der im Zusammenhang mit den Aufträgen auf ihr Konto gelangten Gelder könne man als Geständnis werten, sagte der Richter. „Das andere war halber Kram.“
Nun wollte sich nach Rücksprache mit seinem Verteidiger auch ihr Mann noch einmal äußern. Er schilderte, seine Frau sei bald nach der Wende arbeitslos geworden. Er zwar auch, habe aber anders als sie schnell wieder Anstellung gefunden - in der Bauverwaltung, beim damals noch existierenden städtischen Hochbauamt, das auch für Landes- und Bundesliegenschaften in Halle zuständig war. Sein Bereich sei Technik wie Brandmelde- und Kommunikationsanlagen gewesen.
Ermittlungen gegen korruptes Ehepaar kamen durch eine Steuerprüfung ins Rollen
Sein Gehalt habe in den Neunzigern bei 2.500 Mark brutto gelegen. Die Familie hatte sich mit Krediten einen alten Bauernhof gekauft, und die Kinder waren noch zu Hause. „Wir brauchten auf jeden Fall ein zweites Gehalt“, sagte der Angeklagte. Schließlich sei die Idee von einem Wohnungsbetreuungsservice entstanden - mit wenig Erfolg. Darüber wiederum sei er mit dem ebenfalls vor Gericht stehenden Ex-Geschäftsführer ins Gespräch gekommen - und es sei der Vorschlag gefallen, die Frau könnte sogenannte Feuerwehrlaufkarten fertigen und Unterlagen zur Dokumentation von Kommunikationssystemen, die zur Fehlersuche und für Wartungen benötigt werden.
Wo das besprochen worden sei, wollte der Richter wissen. Er erinnere sich nicht, erwiderte der Angeklagte. „Ich müsste lügen. Das will ich jetzt nicht mehr.“ Erstes Projekt sei eine Brandmeldeanlage für das Krankenhaus Martha Maria gewesen. „Dann kam eine Baustelle zur anderen.“ Seine Frau habe tatsächlich Dokumentationen erstellt, auch für andere Unternehmen als die in den Prozess verwickelten. Aber eben auch Scheinrechnungen verschickt. Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen nach einer Steuerprüfung durch das Finanzamt. Am 16. August soll das Verfahren fortgesetzt werden.