Völlig neue Möglichkeiten Völlig neue Möglichkeiten: Medienkünstler nutzt Corona für seine Drohne

Halle (Saale) - Wenn Stephan Retzlaff seine Digitalbrille aufsetzt, die Drohne mit der kleinen Kamera darauf, die er per Joystick steuert, erst in die Luft steigen und schließlich losfliegen lässt, dann ist das für ihn wie ein Computerspiel, das in der echten Welt stattfindet. Die Aufnahme der Kamera wird ihm direkt auf die Brille übertragen. Und so fliegt er mit. Die gängige Abkürzung für diese Technik ist FPV. Das steht für „First Person View“ und bedeutet: Die Sicht aus der Ich-Perspektive.
Der 36-jährige Hallenser ist von dieser Technik begeistert. „Es ist die absolute Bewegungsfreiheit.“ Die kompakte kleine Drohne, die dabei eingesetzt wird, ermöglicht Kamerafahrten, die steil nach oben oder im Sturzflug nach unten gehen, genau wie Flüge entlang der Dachrinne oder knapp an der Gebäudekante vorbei.
„Das würdest du sonst nie sehen, weil du kein Vogel bist.“
„Das würdest du sonst nie sehen, weil du kein Vogel bist.“ Ihm als Medienkünstler, der in Bildern denkt, habe die Technik „eine neue Welt eröffnet“. Einen Künstlername hat Stephan Retzlaff ebenfalls und im Grunde wird er von allen so genannt: RDY lautet er und wird „Ready“ gesprochen.
Freiheit ist ihm wichtig und die Kunst bietet sie ihm. Deshalb hat der gelernte Krankenpfleger, nachdem er drei Jahre als solcher gearbeitet hat, an der Burg in Halle Medienkunst studiert. Er hat Filme für die Freiraumgalerie, das WUK-Theater und die Burg gedreht, aber auch für das Max-Planck-Institut in Dresden gearbeitet. Er war schon für internationale Projekte tätig. Dann kam ihm Corona in die Quere „und alle Aufträge brachen weg“.
„Mir ist bewusst geworden, wie systemunrelevant mein Job ist.“
Er sagt: „Mir ist bewusst geworden, wie systemunrelevant mein Job ist.“ Doch zu sehr herunterziehen lassen hat RDY sich nicht von dieser ernüchternden Erkenntnis. Im Gegenteil: „Mir ist auch klar geworden, welche neuen Möglichkeiten sich für mich als Kameramann bieten.“
RDY nennt neben FPV die Live-Übertragungen als Beispiel. Dazu hat er auch das Tanztheater Anuk überredet, um deutlich mehr als die jeweils höchstens 15 Zuschauer zu erreichen, die sich das neue Stück von September bis Oktober in der Marienbibliothek in Halle ansehen dürfen. Und was FPV betrifft, sagt RDY: „Ich glaube, der Markt dafür wächst.“ Er ist derzeit fleißig dabei, seine Visitenkarten zu verteilen, um derlei Aufnahmen anzubieten. (mz)