Vertriebenen-Schicksal Vertriebenen-Schicksal: Suche nach Wurzeln in Ostpreußen
Halle/MZ. - Vor Heinz Bartsch liegt ein Bild, das ihn als Kind mit seiner Schwester Gerda zeigt. Daneben ein gefaltetes Blatt aus bräunlichem, brüchig gewordenem Papier, beschrieben mit Tinte in Sütterlin-Schrift. Diese so genannte
Kennkarte und das Foto sind die einzigen Dinge, die dem 64-Jährigen aus seiner frühen Kindheit geblieben sind. Sie war geprägt von Vertreibung und Flucht aus dem ostpreußischen Königsberg in den Wintermonaten 1944/45, vom Leben der elternlosen Geschwister in Kinderheimen und schließlich vom Neubeginn in Wittenberg. Was in der DDR nicht möglich war, will Heinz Bartsch nun nachholen und sich auf die Suche machen nach dem Vater, nach Verwandten und Bekannten aus seiner Heimat. Dabei werden er und andere Menschen mit ähnlichen Schicksalen von der ZDF-Redaktion "Zeitgeschichte" unterstützt (siehe nebenstehenden Beitrag). Am Dienstag, 20. November, beginnt um 20.15 Uhr der erste Teil der fünfteiligen Serie "Kinder der Flucht" mit dem Titel "Der große Treck".
In den vergangenen Jahren hat sich Bartsch intensiv mit seiner Vergangenenheit beschäftigt. Er war mit seiner Frau in Königsberg, und er hat das "Ostpreußenblatt" abonniert, das einmal in der Woche erscheint und das über ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende noch immer Suchanzeigen enthält. "Jeder Mensch möchte doch wissen, wo er herkommt, wo die eigenen Wurzeln liegen", sagt der Mann, der hofft, durch die ZDF-Serie etwas zu erfahren, so dass wenigstens einige jener Fragen beantwortet werden, die er sich in seinem Leben immer wieder gestellt hat.
Zum Beispiel die, ob sein Vater Bruno Bartsch noch am Leben ist. So weit sich sein Sohn erinnern kann, wurde er 1944 eingezogen, um Königsberg zu verteidigen. Im August 1944, als der Zweite Weltkrieg Ostpreußen erreichte, verliert sich die Spur des Schneiders, der Frau und zwei Kinder zurückließ. "Ich kann mich erinnern, dass wir in Baracke 8 eines Heimes in einer Straße lebten, die Plantage hieß. Aber warum gerade dort und nicht in einer eigenen Wohnung, weiß ich nicht mehr. Vielleicht gibt es Menschen, die uns kannten und Auskunft geben könnten."
Mit Mutter und Schwester ging es im eiskalten Winter 1944/45 auf den Treck. Was Bartsch damals an unbeschreiblichem Leid und Grauen gesehen hat, darüber spricht er nicht. Aber vom Tod der Mutter, die an Hunger-Typhus starb. Und von der Odyssee durch Kinderheime, darunter ein russisches in Tilsit. Zum Glück hatte er in dieser schweren Zeit Gerda, die ein Jahr jüngere Schwester, an seiner Seite.
1947 gelangten die Kinder nach Wittenberg, beide kamen zu Pflegefamilien, allerdings zu verschiedenen. Nach all dem Leid begann für sie, wie Bartsch sich erinnert, eine glückliche Kindheit, trotz der allumfassenden sozialistischen Erziehung. Dazu gehörte, dass er nach einer Schneiderlehre in Halle zur Kasernierten Volkspolizei ging. Seinen Traum Lehrer zu werden begrub er, weil das Stipendium nicht gereicht hätte, seine junge Familie zu ernähren; 1958 hatte er geheiratet. Nach Jahren als Abschnittsbevollmächtigter (ABV) in Trotha wagte er mit 34 Jahren einen Neuanfang, studierte, wurde doch noch Erzieher - erst in einem Lehrlings-Wohnheim, später an Körperbehinderten-Einrichtungen in Halle, nach der Wende am Bodensee, zehn Jahre lang.
Gerne hat Bartsch in der DDR seinen Geburtsort nie angegeben. Hier lesen Sie weiter</