Jahrhundertcoup im Kunstmuseum Verschollene Kunstwerke im Museum Moritzburg: Warum die Feininger-Zeichnung für Halle so besonders sind

Halle (Saale) - Museumsdirektor Thomas Bauer-Friedrich strahlt über beide Ohren, als er am Mittwoch Lyonel Feiningers Kohlezeichnung der Marienkirche an ihren Platz in der Moritzburg trägt. Obwohl Bauer-Friedrich eigentlich Urlaub hatte und sich entspannen wollte, hat er turbulente Wochen hinter sich, in denen ihm ein richtiger Coup gelungen ist. Seit Mittwoch hängen zwei verschollen geglaubte Originale wieder im Kunstmuseum Moritzburg, die 1937 von den Nazis als „Entartete Kunst“ in Halle beschlagnahmt worden waren. Es handelt sich um ein Aquarell von Christian Rohlfs und eine Kohlezeichnung von Lyonel Feininger.
Feininger-Zeichnungen besonders für Halle und „echten Glücksfall“
Bauer-Friedrich spricht von einem „echten Glücksfall“, dass die Werke nun wieder an der Saale gelandet sind. Am vergangenen Samstag fand in München eine Kunstauktion statt, bei der viele wertvolle Bilder versteigert wurden. Als die Marienkirche von Feininger aufgerufen wurde, sei der Preis „in Windeseile“ nach oben gegangen, sagt Bauer-Friedrich, der per Telefon zur Auktion zugeschaltet war.
„Mein Puls und mein Adrenalin waren richtig hoch.“ Die Sekunden, nachdem aus Halle das letzte Gebot gekommen war, hätten sich für ihn ewig lang angefühlt, erzählt er. „Höher hätte ich auch nicht mehr mitgehen können.“
Verschollene Feininger-Zeichnung gehören zur Halle-Serie
Die Kohlezeichnung von Lyonel Feininger gehört zur sogenannten Halle-Serie, die der deutsch-amerikanische Maler zwischen 1929 und 1931 angefertigt hat. Sie zeigt die Marktkirche und gilt als erste Vorbereitung des großen Gemäldes „Marktkirche bei Nacht“.
1931 hatte die Stadt Halle damals das Werk gekauft und dem städtischen Museum für Kunst zur Verfügung gestellt. Nachdem die Nationalsozialisten das Bild, gemeinsam mit vielen weiteren Kunstwerken beschlagnahmten, verlor sich seine Spur nach einem Verkauf an einen Kunsthändler im Jahr 1940. Bis vor wenigen Wochen galt es offiziell als verschollen.
Bis zuletzt in Privatbesitz und tauchte nicht in der großen Sammlung auf
Christian Rohlfs Aquarell „Studie nach einem Baumstamm“ war 1914 vom städtischen Museum für Kunst in Halle gekauft worden. Nach der Beschlagnahme der Nazis kaufte der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt das Bild 1940 und es tauchte erst 79 Jahre später, im Sommer 2019 wieder auf, als es einem Auktionshaus angeboten wurde. Gurlitt hatte das Bild vermutlich direkt weiterverkauft, denn es befand sich bis zuletzt in Privatbesitz und tauchte nicht in der großen Sammlung von Gurlitts Sohn auf, die 2012 von Zollfahndern entdeckt wurde.
Bei einer routinemäßigen Überprüfung im Auktionshaus bemerkten die Kunsthistoriker einen gut lesbaren Stempelabdruck auf der Pappe, die hinter dem Rohlfs-Bild im Rahmen klemmte. „Städt. Moritzburg-Museum Halle, Paradeplatz 6“, steht dort. Damit war klar, es handelt sich tatsächlich um das verschollene Aquarell, von dem es noch nicht einmal eine Fotografie gegeben hatte.
Das Auktionshaus informierte daraufhin das Kunstmuseum Moritzburg und verzichtete auf eine Auktion, damit das Bild sicher wieder zurück nach Halle kommen kann. „Dadurch haben wir sicherlich eine Menge Geld gespart“, sagt Museumsdirektor Bauer-Friedrich. Die genauen Summen, die die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt sowohl für den Feininger, als auch für den Rohlfs gezahlt hat, wollte er jedoch nicht bekannt geben. Bei der Vorstellung der Bilder am Mittwoch verriet er nur so viel: „Das eine war vier- das andere fünfstellig“.
Verschollene Kunstwerke aus Halle in Ausstellung des Museum Moritzburg zu sehen
Zu sehen sind beide Kunstwerke bis 12. Januar in der Moderne-Ausstellung „Das Comeback“. Danach kommen sie vorerst in ein Depot, denn sie sind sehr lichtempfindlich. Inzwischen befinden sich 17 von 147 als „entartet“ beschlagnahmten Kunstwerke wieder in der Sammlung des Museums.
Der spektakuläre Rückkauf lässt das Jahr für das Kunstmuseum erfolgreich enden. „Ich bin insgesamt sehr zufrieden“, sagt Thomas Bauer-Friedrich. Bis zum Jahresende werden 2019 insgesamt rund 75.000 Menschen die Moritzburg besucht haben. (mz)
