1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Linkes Hausprojekt: Verkauf der Reil 78 auf Prüfstand: Nutzer geben nicht klein bei

Linkes Hausprojekt Verkauf der Reil 78 auf Prüfstand: Nutzer geben nicht klein bei

Im Stadtrat soll erneut über den Verkauf der Reil 78 an den langjährigen Nutzerverein entschieden werden. Dessen Mitglieder erwidern: Wer will die alte Villa denn sonst haben?

Von Denny Kleindienst 16.09.2024, 19:00
Die Villa in der Reilstraße wird seit über 20 Jahren  als soziokulturelles Zentrum genutzt, das den schlichten Namen „Reil 78“ trägt.
Die Villa in der Reilstraße wird seit über 20 Jahren als soziokulturelles Zentrum genutzt, das den schlichten Namen „Reil 78“ trägt. Foto: Denny Kleindienst

Halle (Saale)/MZ - Mitte Juni liefen die Aufbauarbeiten für das alljährliche Reilfest auf dem Gelände der alten Villa am Bergzoo auf Hochtouren. Dass just zu der Zeit eine Mehrheit der Stadträte im Finanzausschuss entschied, die Villa und das Gelände an den langjährigen Nutzerverein zu verkaufen, wurde daher vom Verein lediglich zur Kenntnis genommen. Ansonsten, sagt Philip, „hätten wir das richtig gefeiert“.

Zumal sie den Kauf schon über Jahre vorbereitet hätten – etwa Gutachten in Auftrag gegeben, ein Finanzierungskonzept erstellt, mit der Stadt verhandelt.

Dass nun die CDU-Fraktion den Verkauf rückgängig machen will, „damit haben wir tatsächlich gar nicht gerechnet“, sagt Philip. So will die Partei den Beschluss zum Verkauf aufheben und den laufenden Grundstücksverkauf aussetzen. Über beide Anträge soll im Finanzausschuss an diesem Dienstag entschieden werden.

Reil 78 ist weit über Halle bekannt

Philip sowie Robin und Micha treffen sich an der Villa zum Gespräch mit der MZ. Ihren vollen Namen wollen sie nicht nennen. „Die organisierte Rechte in Sachsen-Anhalt hat uns auf dem Schirm“, sagt Robin. Als linkes Hausprojekt und soziokulturelles Zentrum ist die Reil 78 weithin bekannt.

Einer der Räume in der Villa wurde zum Kinosaal ausgebaut.
Einer der Räume in der Villa wurde zum Kinosaal ausgebaut.
Foto: Denny Kleindienst

Schon kurz nach der Besetzung der Villa 2001 habe es aber einen Mietvertrag mit der Stadt gegeben, sagt Philip. Robin erklärt, die CDU habe früher gefordert, die Nutzer sollten Verantwortung übernehmen. „Jetzt wollen wir Verantwortung übernehmen, und es ist auch nicht richtig.“

Im Hauskauf sehen sie zwei große Vorteile. Der Erste: Gehört dem Nutzerverein die Reil 78, „machen wir uns unangreifbarer vor einem weiteren Rechtsruck“, so Robin. Der Zweite: „Wir können dann Hand anlegen ans Gebäude.“ Denn als Mieter könne der Nutzerverein nur eingeschränkt agieren.

Villa war in miserablem Zustand

Als man das Haus 2001 übernommen habe, stand es bereits fünf Jahre leer und sei in einem miserablen Zustand gewesen. Sie hätten die Villa überhaupt erst wieder nutzbar gemacht, Türen repariert, aber auch das Dach neu geteert.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Christoph Bernstiel bezweifelt indes, dass der Nutzerverein den vereinbarten Kaufpreis überhaupt stemmen kann, wo der Verein doch gerade einmal eine Miete zahle, die unter dem Kindergeldsatz liege. Philip sagt dazu, dass eine Bank bereits bestätigt habe, einen Kredit in siebenstelliger Höhe zu gewähren. Geld wäre somit auch für die anschließende Sanierung da.

Die Expertise für die Sanierung würde man sich – „wie jeder andere Bauherr auch“, so Robin – einkaufen. So arbeite man inzwischen mit drei Architekten aus Halle zusammen. Unterstützung gebe es zudem vom Mietshäuser-Syndikat, welches schon weit über hundert Hausprojekten beim Hauskauf geholfen habe. In der Vergangenheit habe auch schon ein Handwerkerschacht erklärt, in der Reil 78 nur für Kost und Logis zu arbeiten – allerdings vorausgesetzt, das Haus gehört dem Verein.

Ganzes Ensemble ist denkmalgeschützt

Micha betont außerdem: „Das ist hier ein Ensembledenkmal.“ Nicht nur die Villa, auch Nebengebäude und Garten seien geschützt. Es sei somit abwegig, dass irgendein anderer Käufer sich darauf einlasse.

Robin sagt auch: „Wenn wir es nicht tun, muss es die Stadt tun, und nur für das Nötigste eine Million Euro in die Hand nehmen.“