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Universität Halle Universität Halle: Halles letzter Ingenieur-Professor

Von Silvia Zöller 18.09.2016, 06:00
Bald in Pension, aber seinen Schreibtisch wir Professor Joachim Ulrich dennoch eine Weile nutzen.
Bald in Pension, aber seinen Schreibtisch wir Professor Joachim Ulrich dennoch eine Weile nutzen. Holger John

Halle (Saale) - Eigentlich könnte sich Joachim Ulrich bequem zurück lehen. Der Leiter des Zentrums für Ingenieurwissenschaften und Professor für Thermische Verfahrenstechnik geht Ende des Monats in den Ruhestand. Und der 65-Jährige ist froh, eine schwere Aufgabe erledigt zu haben: Seit 2004 ist mit einem Beschluss der Universität klar, dass die Ingenieurwissenschaften in Halle abgewickelt werden - Ulrich ist zufrieden, für jeden seiner ehemals 20 Professorenkollegen und die 128 Mitarbeiter eine Lösung gefunden zu haben.

Sei es Vorruhestand oder Versetzung, Entlassungen gab es keine. Ulrich ist der letzte Professor des Zentrums. Doch Ruhestand, den gibt es für den Experten für Kristallisationsverfahren noch nicht wirklich.

Promotionen in Frankreich und Finnland

„Es gibt noch viele organisatorische Dinge zu erledigen, auch betreue ich noch sechs Doktoranden“, sagt Ulrich. Ein Jahr lang, so schätzt er, werde er noch für seine Absolventen da sein - alles in Absprache mit dem Kanzler. Auch als Co-Gutachter bei Promotionen in Frankreich und Finnland hat er noch Termine. Und deshalb bleibt sein Schreibtisch noch eine ganze Weile im Zentrum für Ingenieurwissenschaften am Hohen Weg in Kröllwitz stehen - wenn er auch dann nicht mehr jeden Tag besetzt sein wird.

Darin sieht der Fast-Pensionär auch nichts besonderes: „Viele emeritierte Hochschullehrer schreiben schließlich auch Bücher oder sind weiter in Forschungsverbünden aktiv.“ Weder das eine noch das andere hat Ulrich im Sinn - doch Kontakte, die wird er weiter genießen dürfen. Denn als weltweit anerkannter Experte, der auch Bedeutung für die Pharmazie, die Lebensmittelindustrie oder die Ernährungswissenschaften hat, hat er ein internationales Netzwerk.

Abschiedskolloquium in Japan

Und so wundert es nicht, dass der gebürtige Göttinger Ende des Monats noch eine Dienstreise nach Japan macht. Dort richtet ihm eine Organisation, die dem Verein Deutscher Ingenieure vergleichbar ist, ein Abschiedskolloquium. Für zwei Tage ist Ulrich dann Gast in der südjapanischen Stadt Toyama.

Wehmut hat der 65-Jährige nicht, wenn er an den Ruhestand denkt. Denn aktiv bleibt der schlanke Mann. In der Uni-Fußballmannschaft spielt er im defensiven Mittelfeld, dazu gibt es jede Woche eine Stunde Squash. Zeit für seine wunderbare Frau - das betont er - und den großen Garten hat er ebenfalls im Blick. Was jedoch in dem engagierten Wissenschaftler rumort, der sich auch als Prodekan hochschulpolitisch engagiert hat, ist die Schließung es kompletten Fachbereichs. „Da hat man etwas unnötig umfassend herausgeschnitten“, sagt er. Die bessere Möglichkeit wäre aus seiner Sicht gewesen, die Studiengänge zu verändern, den Möglichkeiten anzupassen. Denn für die Industrie-Region und den Weinberg-Campus seien Ingenieure wichtig.

Schließung der Fachbereiche

Kein einziger Student sei wegen der voranschreitenden Schließung der Fachbereiche nach Magdeburg gewechselt, wo nun Ingenieurstudiengänge angeboten werden: Warum sollten sie auch, sie können genauso gut mach Dresden oder an andere Universitäten gehen, meint so Ulrich. Zumal die Uni Halle den eingeschriebenen Studenten den Abschluss an der hiesigen Hochschule gewährleisten musste, weswegen die einzelnen Fachbereiche von der Werkstofftechnik über die Verfahrens- und Umwelttechnik sowie der Wirtschaftsingenieur-Studiengang nur noch und nach geschlossen werden konnte.

„Es ist ein Wermutstropfen, es ist traurig, dass es so kommen musste“, resümiert der Professor nach 17 Jahren als Forscher und Lehrender an der Uni Halle. Im Mai 1999 war er an die Saale gekommen, zuvor war auch als Dozent in Shanghai und in Brasilien tätig. Er trägt auch einen Ehrendoktortitel der ungarischen Universität Szeged. (mz)