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Unfall in Kita "Weltenbummler"  Unfall in Kita "Weltenbummler" : Zu wenige Erzieher bei den Kindern?

Von Jan Möbius 12.12.2014, 08:03
Kerzen am Adventskranz
Kerzen am Adventskranz dpa Lizenz

Halle (Saale) - Nach dem schweren Kita-Unfall in Halle, bei dem ein drei Jahre altes Mädchen Verbrennungen zweiten und dritten Grades erlitten hatte, gibt es in Bezug auf den Ablauf des Unglücks Zweifel an der Darstellung des Trägers der Einrichtung.

Rechtsanwalt entkräftet Behauptung

Marian Peter-Bohley, Rechtsanwalt der Eltern des verunglückten Kindes, trat unter anderem der Behauptung entgegen, dass die Dreijährige einen leicht entflammbaren Pullover aus Polyester angehabt habe. „Das Kind trug reine Baumwollkleidung. Die liegt als Asservat bei der Polizei und kann nicht als Begründung für die schweren Verletzungen herhalten“, sagte der Jurist. Baumwolle gilt als schwer entflammbares Material. Der Pullover des Mädchens hatte am Montag vergangener Woche in der Kita „Weltenbummler“ an einer Adventskerze Feuer gefangen. 25 Prozent der Haut des Kindes verbrannten. Das Mädchen wird noch immer im Krankenhaus intensiv behandelt. Bis zum Zeitpunkt des Unfalls war offenes Feuer in den Einrichtungen der Jugendwerkstatt Frohe Zukunft, die Träger der Kita ist, nicht verboten.

Zweifel an schnellen Löschversuchen

Zweifel hat Jurist Peter-Bohley auch an der Version, dass das Feuer schnell gelöscht wurde. „Nach Angaben der Erzieherin gegenüber Zeugen versuchte sie, die Flammen mit den Händen zu löschen. Als das misslang, begab sie sich mit dem Kind auf den Etagenflur und rief um Hilfe“, so Peter-Bohley. Eine weitere Erzieherin sei zu Hilfe geeilt. „Das Feuer wurde wohl dort auf dem Flur mit einer Decke gelöscht.“ Wasser habe nicht bereitgestanden. „Ob das als schnelles löschen bewertet werden kann, muss ich zum jetzigen Zeitpunkt bezweifeln“, sagte Peter-Bohley.

Er vermutet zudem einen Verstoß gegen das Kinderförderungsgesetz. „Zum Zeitpunkt des Unfalls war eine Angestellte im Raum bei 23 Kindern.“ Das aber reiche nach den Vorgaben im Kindergartenalter (drei bis sechs Jahre) nicht aus. Der Personalschlüssel sieht ein Verhältnis von einer Fachkraft auf 13 Mädchen und Jungen vor. Demnach hätte grundsätzlich eine weitere Erzieherin in der Gruppe sein müssen. „Der Personalschlüssel war also zum Zeitpunkt des Unfalls konkret unterschritten“, so Peter-Bohley. Ob weitere rechtliche Schritte eingeleitet werden, soll nach einer Einsicht in die Ermittlungsakte entschieden werden.

Erzieherin allein mit 20 Kindern

Jugendwerkstatt-Sprecherin Raab bestätigte, dass die Erzieherin mit mehr als 20 Kindern für eine Dreiviertelstunde allein im Raum war - zwischen dem Frühdienst, der bis einschließlich dem Frühstück zu zweit absolviert werde, und 10 Uhr. Ein dritter für die Gruppe zuständige Mitarbeiter sei im Urlaub gewesen. „Wir haben bereits im August dem städtischen Finanzierungsplan widersprochen und die Verwaltung um eine Erklärung gebeten, wie der gesetzliche Personalschlüssel eingehalten werden soll, wenn die Stadt nicht bereit ist, die Vertretungen etwa bei Urlaub zu finanzieren.“ Eine Antwort sei bisher ausgeblieben.

Raab sagte zudem, dass der Betreuungsschlüssel nicht für die Gruppe sondern aufgrund der Kinderzahl und deren Betreuungsstufen für die gesamte Kita berechnet werde. Krankheit, Urlaub und Fortbildung seien dabei nicht berücksichtigt. „Dafür wird kein Ersatzpersonal finanziert“, sagte Raab in Richtung Stadtverwaltung. (mz)

So berichtete die MZ am 6. Dezember.
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