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Tourismus gefährdet Tourismus gefährdet: Der große hallesche Bettenstreit

Von Robert Briest 31.12.2016, 08:00
Das ehemalige Hotel Maritim in Halle.
Das ehemalige Hotel Maritim in Halle. Jens Schlueter

Halle (Saale) - Kaum ein Satz, den Stefan Voß sagt, kommt ohne dieses Wort aus: „Hotel“. Kein Wunder, denn der Mann ist Halles Stadtmarketing-Chef - und damit zuständig für den Tourismus. Den freilich sieht er gefährdet, denn seit dem Wegfall des „Maritim“ mangele es in Halle an Hotelbetten, meint Voß und betont das bei jedem Anlass. Damit stößt er bei der Rathausspitze auf offene Ohren. Als sich der Baukonzern Papenburg in diesem Sommer bereiterklärte, am Riebeckplatz ein Hotel zu errichten, wurde dies entsprechend groß angekündigt. Doch braucht Halle wirklich mehr Betten? Die Meinungen sind kontrovers und die Wortwahl ist längst gereizt.

Voß Grundargumentation ist simpel: Mehr Betten würden mehr Touristen locken, insbesondere Gruppenreisen, mehr Kongresse, mehr Tagungen. Letztlich würden mehr Hotels zu einer größeren Zahl von Übernachtungen führen, mit dem angenehmen Effekt, dass auch die von Gästen generierten Umsätze etwa für Kost und Logis in Halle blieben. Der Stadtmarketingchef führt dazu Zahlen ins Feld: So habe Halle in den ersten acht Monaten des Jahres ein fast stetiges Minus bei den Übernachtungszahlen im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet, obwohl die Ankunftszahlen von Gästen höher lagen.

Gäste bleiben im Schnitt kürzer

Die Gäste bleiben im Schnitt also kürzer – im Mittel 1,9 Nächte bei insgesamt 257.000 Übernachtungen. Voß führt dies vor allem auf einen Rückgang der Gruppenreisen zurück. 2015 stand Halle da auf Platz 47 der deutschen Großstädte, hinter Wuppertal und Chemnitz!

Zwei Zahlen betont der Stadtmarketingchef immer wieder: 2.664 und 1.900 - die Anzahl der Übernachtungsbetten insgesamt und die Zahl der Betten in größeren Hotels. Vor allem letztere sei „lächerlich“. „Wir kriegen die Tagungen und Kongresse nicht, weil wir nicht genug große Häuser haben“, sagt Voß und schätzt: „Jährlich ziehen 100.000 Touristen an uns vorbei, weil wir die Infrastruktur nicht haben.“ Als ausreichende Dimension schweben ihm 5.200 Betten vor, wie sie etwa Magdeburg hat.

Engpässe bei Kongressen

Die Engpässe bei Kongressen kann Caroline Wichmann, Sprecherin der Leopoldina teilweise bestätigen: Für größere Veranstaltungen müsse ein Jahr vorher gebucht und auf mehrere Hotels zurückgegriffen werden. Gleichwohl ergänzt sie: „Bisher mussten keine Veranstaltungen der Leopoldina aufgrund fehlender Hotelkapazitäten abgesagt werden.“

Die Neubaugegner sind vor allem die Hoteliers der Stadt. Auch sie argumentieren mit einer Zahl: 40,8. Es ist die prozentuale Auslastung der vorhandenen Betten. „Sie zeigt, dass wir eigentlich schon zu viele Betten haben“, sagt Bertram Thieme, Direktor des Dorint-Hotels: Man dürfe die großen Häuser am Stadtrand, die wie in Peißen schon zum Saalekreis zählen, mit ihren etwa 1.200 Betten nicht vergessen. Er räumt ein, dass es zu Spitzenzeiten (Händel-Festspiele) Engpässe gebe: „Aber ein Hotel muss jeden Tag gut ausgelastet sein.“ Viele Häuser in Halle stünden unter Zwangsverwaltung oder könnten erst nach zwei, drei Insolvenzen einigermaßen leben. „Ich kann Voß’ Forderung nicht mehr hören. Mir fehlt der Glaube, dass mehr Kapazität zu mehr Gästen führt.“

Hotels erst bei 60 bis 70 Prozent Auslastung wirtschaftlich

Das sieht auch Siegfried Köhli, Geschäftsführer des Ankerhofs, ähnlich: „Das Problem löst man, indem man die Stadt touristisch attraktiver macht.“ Köhli findet etwa, dass die Saale nicht ausreichend vermarktet werde. Auch er kommt schnell auf die Auslastung von nur knapp 40 Prozent zu sprechen. Hotels seien erst bei 60 bis 70 Prozent Auslastung wirtschaftlich. Er fordert, dass sich die Region stärker als ein Mitteldeutschland versteht: „Es stört doch auch nicht, wenn die Leute nach Leipzig fahren, weil hier alles voll ist.“

Und noch eine zweite Auslastungszahl spricht gegen Voß’ Forderung. Magdeburg hat zwar fast doppelt so viele Betten, die sind mit 33,9 Prozent jedoch noch schlechter genutzt. Voß erzürnt der Widerstand: „Ich bin dieses Getöse leid“, erwidert er und verweist auf die Eigeninteressen der Hoteliers: „Das ist, als ob man McDonald’s fragt, ob gegenüber ein Burger King aufmachen soll.“ Es seien vor allem die kleinen Häuser, die eine schlechte Auslastung hätten. Das Auslastungsargument sei daher eine Nebelkerze. (mz)