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Taube Ohren bei Behörde? Taube Ohren bei Behörde?: Mutter kämpft seit Jahren für hörgeschädigte Tochter

Von Dirk Skrzypczak 14.08.2018, 04:00
Der Fall füllt mittlerweile einen dicken Aktenordner. Doch für ihre Tochter Lisa Pauline gibt Susann Möschter nicht auf.
Der Fall füllt mittlerweile einen dicken Aktenordner. Doch für ihre Tochter Lisa Pauline gibt Susann Möschter nicht auf. Silvio Kison

Halle (Saale) - Ganz am Anfang war Susann Möschter nicht beunruhigt. Dass der erste Hörtest bei ihrer Tochter Lisa Pauline gleich nach der Geburt im August 2012 auffällig war, gab da noch keinen Grund zur Besorgnis. „Später habe ich oft mit ihr geschimpft, weil sie nicht reagierte, wenn ich etwas von ihr wollte“, erzählt die heute 37-Jährige. Dass mit Lisa Pauline etwas nicht stimmte, war ihr spätestens Anfang 2014 klar.

„Sie saß in der Wohnung mit dem Rücken zur Tür und hat nicht mitbekommen, dass jemand laut ins Zimmer kam.“ Seit fast vier Jahren kämpft die Hallenserin bereits gegen das Landesversorgungsamt um die Anerkennung der Schwere der Hörbehinderung für ihre Tochter. Mit dem Fall beschäftigt sich jetzt das Landessozialgericht. „Ich fühle mich hilflos und diskriminiert. Es zehrt an der Kraft. Aber für meine Tochter gebe ich nicht auf“, sagt sie.

Sozialgericht in Halle gibt Mutter Recht

Zunächst versuchte es Susann Möschter mit Widersprüchen gegen die Bescheide des Amts. Schließlich reichte sie Klage ein. Und das Sozialgericht in Halle gab ihr am 26. April dieses Jahres vollumfänglich Recht. Das Landesversorgungsamt wurde angewiesen, bei der Fünfjährigen einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung), B (auf die Mitnahme einer Begleitperson in öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen), H (hilflos), RF (ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen) sowie GL (gehörlos) festzustellen.

Das Gericht bezog sich unter anderem auf ein Gutachter des Universitätsklinikums Leipzig von 2017. Demnach leidet das Mädchen auf dem rechten Ohr unter einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Das linke Ohr ist taub. Die Folge ist eine schwere Sprachstörung. Nach Auswertung des Gutachtens schlug das Amt als Vergleich einen GdB von 80 vor. Außerdem hätte die Behörde alle Merkzeichen akzeptiert - bis auf die Feststellung der Gehörlosigkeit. Doch darauf lässt sich Susann Möschter nicht ein.

Amt legt Berufung gegen Urteil des Sozialgerichts ein

Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat das Amt Berufung eingelegt. „Das ist für mich Willkür. Ich weiß nicht, warum das Landesversorgungsamt trotz aller Gutachten weiterhin auf seiner Meinung beharrt“, ist Möschter verzweifelt. Die MZ fragte im Landesverwaltungsamt nach, dort ist die Behörde angesiedelt.

Detaillierte Auskünfte könne man aus Datenschutzgründen nicht geben, hieß es. Unterstützung bekommt Familie Möschter vom Stadtverband der Hörbehinderten in Halle. „Wir kennen den Fall gut und können nicht nachvollziehen, was da passiert“, sagt Thomas Hauf, viele Jahre Chef des Stadtverbands. Das Mädchen werde ein Leben lang hörbehindert bleiben, die Sprache nicht verstehen und Hilfe benötigen.

Unterricht in Gebärdensprache - Es geht um Finanzhilfen

Noch muss Susann Möschter vieles selbst bezahlen, damit ihr Kind den Alltag meistern kann, beispielsweise den Unterricht in Gebärdensprache. „Da wollen Krankenkasse oder Sozialamt die Kosten nicht tragen.“ Wird die Behinderung aber so festgestellt, wie es das Gericht geurteilt hat, steht dem Kind bis zur Ausbildung finanzielle Unterstützung zu. Danach wird neu entschieden.

Die tapfere Lisa hat eine Tortour hinter sicher. Untersuchungen in Krankenhäusern, immer wieder Gutachten. Seit sie ein Cochlea-Implantat am linken Ohr trägt (rechts ein herkömmliches Hörgerät), „macht sie gute Fortschritte. Aber wir tun auch viel dafür“, sagt die Mutter. Bei dem Implantat setzt ein Außenmikrofon Geräusche um und sendet elektrische Reize an den Hörnerv. Die Art der Stimulierung erzeugt unterschiedliche Frequenzen. Damit umzugehen, muss trainiert werden. „Ich gebe alles, damit Lisa so gut wie möglich im Leben zurechtkommen kann. Und ich hoffe, dass der Spuk endlich bald ein Ende hat.“ (mz)