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Ihr Ehemann missbrauchte ihre Töchter Stieftöchter sexuell missbraucht: Mutter aus Halle erzählt - "Wir waren am Schreien nichts ging mehr"

Von Oliver Müller-Lorey 16.01.2019, 06:00
Am Landgericht (im Hintergrund) wurde der Ex-Mann von Sandra P. im Jahr 2018 verurteilt.
Am Landgericht (im Hintergrund) wurde der Ex-Mann von Sandra P. im Jahr 2018 verurteilt. Silvio Kison

Halle (Saale) - Im Nachhinein wirken selbst kleinste Details verdächtig. Aber hätte Sandra P. etwa schon damals stutzig werden sollen, als ihr Partner nicht ihr, sondern ihren beiden Töchtern aus erster Ehe Blumen beim ersten Kennenlernen schenkte?

Heute weiß die 38-Jährige: Sie hat sich in dem Mann, mit dem sie zwölf Jahre zusammen und verheiratet war, schwer getäuscht. Und sie glaubt, dass er sich damals nur sie ausgesucht hat, weil sie zwei kleine Töchter hatte. Das Landgericht Halle verurteilte ihn im Mai 2018 zu drei Jahren und drei Monaten Haft wegen des sexuellen Missbrauchs dieser beiden damals minderjährigen Töchter. Im Dezember verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Verurteilten.

Ehemann missbrauchte Stieftöchter sexuell: Freunde und Familie wendeten sich von Sandra P. ab

Doch mit einem Urteil sei die Geschichte noch nicht zu Ende, sagt P. Vor Gericht habe sie zwar gesiegt, doch Freunde wendeten sich von ihr ab, ihre eigenen Eltern verstießen sie aus der Familie, sie wurde der Lüge bezichtigt. Weil der Bundesgerichtshof den Revisions-Antrag ihres Ex-Mannes abgelehnt habe, könne sie nun an die Öffentlichkeit gehen. „Ich will, dass alle, die ihn kennen, wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Ich will keine Entschuldigung von den Leuten, die mich sitzen gelassen haben, ich will nur, dass sie die Wahrheit erfahren“, sagt P. Deshalb wende sie sich mit ihrer Geschichte an die MZ, die bereits über den Prozess berichtet hatte.

Stieftöchter sexuell missbraucht: „Wir waren am Schreien, ich fiel in ein tiefes Loch, nichts ging mehr“

„Alles begann im Februar 2017 auf einer Autofahrt. Sein Handy vibrierte und ich wollte lesen, wer ihm schreibt“, erinnert sich die dreifache Mutter. Zwei Kinder, 1998 und 2000 geboren, brachte sie mit in die Ehe, eine jüngere Tochter hat sie mit dem nun Verurteilten. Noch auf der Autofahrt sei ein Streit entbrannt, nachdem sie auf dem Telefon eindeutige Nachrichten von einer fremden Frau gefunden habe.

„Zu Hause ging der Streit weiter. Er hat randaliert, weil ich sein Handy hatte, da kam meine eine Tochter und sagte: ,Mama, ich glaube, er geht nicht nur fremd. Er hat mich angefasst an Stellen, an denen er das nicht darf’“, sagt Sandra P. Das Drama spitzte sich zu, auch die andere betroffene Tochter, inzwischen Soldatin, kam nach Hause und warf ihren Stiefvater raus. „Wir waren am Schreien, ich fiel in ein tiefes Loch, nichts ging mehr“, beschreibt die Mutter die Situation.

Stieftöchter sexuell missbraucht: Sandra P. war jahrelang abhängig von ihrem Mann, sagt sie

Weil ihr damaliger Mann drohte, sich umzubringen, habe die Polizei nach ihm gesucht und ihn schließlich auch gefunden und verhaftet. P.s Problem war, wie sie heute sagt, ihre Abhängigkeit von diesem Mann. „Wir sind aus der ehelichen Wohnung gezogen mit fünf Pappkartons, fünf Stühlen, einem Tisch und einem Sofa. Sonst nichts. Wir hatten keine Freunde mehr.“

Selbst an alltägliche Dinge sei sie nicht gewöhnt gewesen: „Ich wusste nicht einmal, wie ein Geldschein aussieht. Heute kann ich sogar Online-Banking“, sagt die Mutter. Arbeiten gegangen sei die gelernte Köchin damals nicht. Heute jobbt sie dreimal in der Woche. „Wir kriegen Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt, Kindergeld, Wohngeldzuschuss. Aber manchmal haben wir von fünf Euro in der Woche gelebt.“ Langsam, ganz langsam kämpft sich die Mutter ins Leben zurück.

Missbrauch hinterließ seelische Spuren bei den Töchtern

Doch die Taten haben auch seelische Spuren hinterlassen. So wolle die älteste Tochter bei der Polizei arbeiten, werde wegen einer Therapie und der Einnahme von Medikamenten aber derzeit nicht zugelassen. Die mittlere Tochter habe eine Essstörung. Sandra P. sagt, sie habe kaum Unterstützung während des Prozesses bekommen, außer vom halleschen Verein „Wildwasser“, der Opfer sexueller Gewalt berät. „Es gibt eine Unterversorgung, was Therapieplätze angeht“, sagt Wildwasser-Mitarbeiterin Michaela Koch. Der Verein, der für den gesamten Landessüden zuständig ist, habe im Jahr 2017 allein 1 628 Beratungen durchgeführt - der Bedarf sei riesig.

Sandra P. hat inzwischen einen neuen Partner, lebt aber ohne Kontakt zu ihren Eltern. Die würden noch immer zu ihrem Ex-Mann halten und hätten ihr am Telefon mitgeteilt, dass sie nicht mehr Teil der Familie sei. „Er hat meinen Kindern die Oma, den Opa, die Tante genommen“, sagt sie. Stolz sei sie auf ihre beiden betroffenen Töchter, die vor Gericht ausgesagt hatten - der Angeklagte hatte nicht gestanden. Eine Tochter hatte Chat-Verläufe und eine Entschuldigungs-Karte von ihrem Stiefvater aufbewahrt und somit wichtige Beweismittel geliefert. (mz)