Justiz Sozialrichter aus Halle zahlt Geldstrafe wegen Urkundenfälschung vor Corona-Impfung
Noch bis Sonntagabend sah es so aus, als würde sich der Jurist einer öffentlichen Hauptverhandlung stellen.

Halle (Saale)/MZ - - Wenige Stunden vor dem geplanten Prozessbeginn hat ein wegen Urkundenfälschung angeklagter Sozialrichter eine öffentliche Hauptverhandlung am Amtsgericht abgewendet. Der Jurist habe seinen Einspruch gegen einen Strafbefehl zurückgezogen, berichtete Gerichtssprecher Werner Budtke am Montagmorgen, als eigentlich der Prozess beginnen sollte. „Am Sonntag, 20.49 Uhr, ist das Fax eingegangen.“
Damit muss der 56-Jährige nun 50 Tagessätze zu 150 Euro, also 7.500 Euro Geldstrafe zahlen. Die strafrechtlichen Konsequenzen aus der ihm vorgeworfenen Straftat im Januar 2021 sind damit gezogen. Der Jurist soll sich damals mit einer gefälschten Arbeitgeberbescheinigung eine Impfung gegen Corona verschafft haben, obwohl er noch gar nicht an der Reihe gewesen ist. Vor gut einem Jahr gab es kaum Impfstoff, impfberechtigt waren hochbetagte Senioren und Menschen, die sie betreuen. Laut Anklage gab der Richter zu seiner Legitimierung auf einem mit unleserlicher Unterschrift versehenen und in dritter Person verfassten Schreiben mit Briefkopf des Sozialgerichts an, in seiner beruflichen Tätigkeit auch Vororttermine in Pflegeheimen wahrnehmen zu müssen. Das traf nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft jedoch zumindest in den Jahren 2019 und 2020 nicht zu.
Ans Licht gekommen war das Geschehen zufällig - bei einer Durchsuchung des städtischen Impfzentrums, bei der es nach Informationen aus Justizkreisen um die Prüfung von Vorwürfen gegen Halles suspendierten OB Bernd Wiegand (parteilos) im Zusammenhang mit der Impfaffäre ging.
Der Richter ist nach wie vor im Dienst, wie Sozialgerichtssprecherin Christina Apitz auf MZ-Anfrage sagte. Gegen ihn sei aber ein - für die Zeit des Strafverfahrens ausgesetztes - Disziplinarverfahren eröffnet worden. Der Sprecherin zufolge ist der Jurist seit 2008 am Sozialgericht tätig.
Die publik gewordene Urkundenfälschung im Zusammenhang mit einer Impfberechtigung gilt in Halle als beispiellos. Dagegen mehren sich bei der Staatsanwaltschaft Ermittlungen im Zusammenhang mit gefälschten Impf- und Testzertifikaten, wie Behördensprecher Dennis Cernota der MZ sagte. Diese Verfahren würden nicht gesondert erfasst, so dass er deren genaue Zahl nicht nennen könne. Sie liege aber im zweistelligen Bereich.
Auf gefälschte Impfnachweise werden die Ermittler dem Staatsanwalt zufolge oft nach Anzeigen durch Apotheken aufmerksam. Wenn dort jemand für einen QR-Code einen neuen Impfpass einreiche, der nur die Corona-Impfungen enthalte, die möglicherweise noch weit entfernt verabreicht worden sein sollen, könne das misstrauisch machen. Dann fragten die Apotheker bei den angeblichen Impfärzten nach und Ermittlungen kämen ins Rollen. Die Fälschung von Gesundheitszeugnissen gilt seit dem vergangenen Herbst als Straftat.
„Wir verfolgen diese Fälle mit aller Kraft“, betonte der Staatsanwalt. Dabei werde gegen Menschen „querbeet durch alle Altersgruppen und alle Bevölkerungsschichten“ ermittelt. Weil die Beweislage klar sei, räumten die meisten Betroffenen die Taten umstandslos ein. „Wir haben es auch mit Impfverweigerern zu tun, die uns mit seitenlangen haltlosen rechtlosen Ausführungen einzuschüchtern versuchen“, sagte Cernota. „Davon lassen wir uns natürlich nicht beeindrucken.“