Sechs Jahre nach Anschlag Kerzen am Abend auf dem Marktplatz: Wie Halle am Jahrestag der Opfer gedenkt
An den verschiedenen Orten im Stadtgebiet wird in Halle am heutigen Donnerstag an den Anschlag vor sechs Jahren erinnert und der Opfer gedacht. Los geht es mit einem stillen Gedenken an der Synagoge. Am Abend beginnt die Andacht auf dem Markt.

Halle (Saale)/MZ. - Halle steht still: Um 12.03 Uhr hat das öffentliche Leben in der Stadt am heutigen Donnerstag, 9. Oktober, kurz pausiert. Am Abend werden jetzt Kerzen auf dem Markt entzündet. Um 18.30 Uhr begann dort eine Andacht.
Marktkirchenpfarrerin Simone Carstens-Kant sprach gemeinsam mit dem Pfarrer Johannes Thon ein Gebet auf Deutsch und Hebräisch.

Gedenken an der Synagoge
Da lag schon ein langer Tag des Gedenkens hinter Halle: In Erinnerung an die Uhrzeit, als das antisemitisch motivierte Attentat begann, wurden am Mittag stadtweit alle Kirchenglocken geläutet, die Fahrzeuge der Havag wurden für eine Minute gestoppt, es gab an den Haltestellen Ansagen, um an die Opfer des Anschlags zu erinnern.

Vor der Synagoge in Halle fand zur Mittagszeit ein stilles Gedanken statt. Daran beteiligten sich unter anderem Halles Bürgermeister Egbert Geier, der Landrat des Saaleskreises Hartmut Handschak, sowie Mitglieder des Stadtrates und des Landtages.

Auch die Grünen-Politikerin Ricarda Lang nahm daran teil. Lang, Mitglied im Bundestag und ehemalige Vorsitzende ihrer Partei, war erstmals beim Gedenken in Halle dabei.
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Ihr seien zwei Dinge wichtig, sagte sie der MZ. Zum einen die Betroffenen vor Ort zu unterstützen. „Ihr Schmerz wird gesehen.“ Zum anderen warnte sie vor dem Auftrieb rechter Kräfte in Deutschland und der Welt. Daher, sagte sie, „brauchen wir jetzt eine Erinnerungskultur“.

Nach dem stillen Gedenken an der Synagoge konnte bis 14.30 Uhr noch das Denkmal der Jüdischen Gemeinde besichtigt werden.
Auch vor dem Tekiez in der Ludwig-Wucherer-Straße und dem Luwu gibt es Kränze.
(Kamera: Denny Kleindienst) Hinweis: Sollte das Video nicht angezeigt werden, laden Sie bitte Ihren Browser neu.Im Welcome-Treff in der Geiststraße gab es ab 14 Uhr einen Bürgerdialog. Teilnehmer, die sich zuvor anmelden mussten, sprechen über Erfahrungen mit Antisemitismus und Rassismus.
Gedenken vor dem Tekiez
Vor dem Tekiez begann um 16 Uhr die Gedenkveranstaltung der Tekiez Gruppe sowie der Soligruppe 9. Oktober. Dafür wurde die LuWu vor dem Tekiez für den Verkehr gesperrt, um dort einen temporären Raum der Erinnerung zu schaffen, wie es hieß.

Kurz vorher endete auch der zweistündige Rundgang des Bündnisses Halle gegen Rechts entlang der Orte des Anschlags von Halle.

Auf der Kundgebung am Tekiez kamen zahlreiche Opfer des Anschlags von Halle zu Wort, darunter Menschen, die am 9. Oktober 2019 in der Synagoge waren und Todesangst hatten, als der Attentäter versuchte, in das Gebäude zu gelangen. Aber auch die Opfer aus Wiedersdorf, die vom Attentäter schwer verletzt wurden.

Enttäuschung über schwierige Hilfe für Opfer
In diesen Redebeiträgen wird auch die Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, das finanzielle Hilfen für die Opfer schwer zu bekommen sind oder sie verwehrt werden. Es sind nachdenkliche und auch wütende Beiträge.

Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Halle, ließ sich bei der Kundgebung auch zitieren mit der Forderung, dass der Krieg in Gaza beendet werden müsse, der durch den Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ausgelöst wurde.

Kränze an Synagoge, Tekiez und LuWU
In Halle hatte das Gedenken an den Anschlag heute vor sechs Jahren schon am Morgen begonnen. Vor der Synagoge in Halle wurden die ersten Kränze aufgestellt.

Es waren Kränze der Stadt Halle und des Landes Sachsen-Anhalt, der Beauftragten der Bundesregierung für Betroffene terroristischer Anschläge und des Landeskreises Saalekreis. Auch vor dem Tekiez in der LuWu wurden Kränze niedergelegt.
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Über den Tag laden die Stadt Halle, die Jüdische Gemeinde zu Halle und der Evangelische Kirchenkreis Halle-Saalekreis zusammen mit Akteuren der Stadtgesellschaft zu verschiedenen Gedenkveranstaltungen ein.
Durch die Veranstaltungen wird es Sperrungen und Einschränkungen im Straßenverkehr geben.
Anlässlich des sechsten Jahrestages des Terroranschlags von Halle hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bereits vorab in einer Stellungnahme betont: „Der Terroranschlag von Halle am 9. Oktober 2019 war eine tiefe Zäsur und er hat unser Land verändert. Er ist auch heute noch eine stete Mahnung an uns alle, eine eindeutige und klare Haltung zu zeigen und für ein Klima der Toleranz und gegenseitigen Achtung in unserer Gesellschaft zu sorgen.“
„Wachsames Engagement gegen Antisemitismus und Hass“
Antisemitismus und Rassismus würden die Grundlagen unseres demokratischen Staates unterminieren und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährden, so der Ministerpräsident. „Dagegen müssen wir uns mit aller Entschiedenheit wehren.“
Landesjustizministerin Franziska Weidinger (CDU) und die Landesopferbeauftragte Gabriele Theren riefen im Vorfeld zu einem „wachsamem Engagement gegen Antisemitismus und Hass“ auf.