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Sebastian Kranich  Sebastian Kranich : Von der Uni auf die Kanzel

Von Peter Godazgar 11.04.2016, 14:00
Sebastian Kranich in der Dieskauer Kirche.
Sebastian Kranich in der Dieskauer Kirche. Günter Bauer

Halle (Saale) - Irgendwann im Laufe des Gesprächs zieht Sebastian Kranich einen Vergleich, der den Zuhörer stutzen lässt. „Ein Pfarramt“, sagt er, „ist ein Gemischtwarenladen“. Man stutzt indes nur kurz, denn natürlich ist da was dran: Es gibt wohl nicht viele Berufe, die vielfältiger sind als der des Pfarrers. Die Palette reicht von den breitgefächerten seelsorgerischen Aufgaben bis hin zur höchst weltlichen Büroarbeit.

Seit vergangenen November ist Kranich Pfarrer im Pfarrbereich der evangelischen Kirche an Elster, Kabelske und Reide, einem Bereich, der nicht weniger als elf Orte umfasst. Und seit Sonntag ist er als alleiniger Pfarrer zuständig. Dann nämlich wurde im Rahmen eines Gottesdienstes in der Lochauer St. Annen-Kirche der bisherige Pfarrstelleninhaber, Siegfried Lemke, in den Ruhestand verabschiedet.

1.400 Gemeindeglieder

So bleibt den etwa 1.400 Gemeindegliedern eine Zeit der Vakanz und damit auch eingeschränkter seelsorgerischer Versorgung erspart. Ein „riesengroßer Vorteil“ sei das, sagt Kranich - und beileibe keine Selbstverständlichkeit.

Für Kranich stellt der Wechsel durchaus eine Zäsur dar. Zwar hatte er Theologie studiert und auch ein Vikariat gemacht (quasi das, was für den Lehrer das Referendariat ist) - das erste Angebot, als Pfarrer zu arbeiten, lehnte er jedoch ab: Die evangelische Kirche wollte ihn ins „hinterste Erzgebirge“ schicken. Auch mit Blick auf seine beiden damals noch kleinen Kinder, wechselte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Theologische Fakultät der Uni Halle. Hinzu kam sein politisches Engagement: Kranich ist seit 2010 Mitglied der Bündnisgrünen, war zwischenzeitlich Stadtvorsitzender und im Jahr 2013 auch Bundestagsdirektkandidat. Der Seelsorger als Wahlkämpfer - das war eine völlig neue Rolle, die Kranich da auf einmal ausfüllen sollte.

Von Lochau nach Dieskau

Als ihm dann im vergangenen Jahr die Pfarrstelle angeboten wurde, horchte er auf. Zumal das Zentrum von Lochau nach Dieskau verlegt werden sollte. Eine Entscheidung, die den Lochauern nicht gefallen mag. Kranich hält sie dennoch für vernünftig, einfach, weil Dieskau in diesem weit gezogenen Pfarrsprengel zentraler liegt und auch die wohl größte kulturelle Bedeutung hat. Derzeit wird das Pfarrhaus - vis-a-vis zum Schloss - komplett saniert. „Es wird das Herzstück des Pfarrbereichs“, sagt Kranich, der dort auch seine Wohnung beziehen und also aus Halle wegziehen wird. Wenn der enggesteckte Terminkalender es zulässt, wird er sich auch künftig vorzugsweise per Fahrrad fortbewegen. „Das spart das Fitness-Studio.“

Geboren wurde Sebastian Kranich 1969 in Dresden. Auf seine Heimatstadt blickt er, seit dort montags die Pegida-Demonstrationen stattfinden, „betroffen“ und „irritiert“. Was ihn freut: In Gesprächen mit Gemeindegliedern ist von dieser vorurteilsbeladenen Stimmung kaum etwas zu spüren.

Seine Hauptarbeit sieht Kranich naheliegenderweise in den Gemeinden. Er will die bestehenden Seniorenkreise aufrechterhalten und in allen Orten regelmäßig Gottesdienste abhalten, denn: „Kirchen dürfen keine baulichen Hüllen werden.“ (mz)