1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Rund um die Uhr im Einsatz: Rund um die Uhr im Einsatz: Die harte Realität der Luftrettung in Sachsen-Anhalt

EIL

Rund um die Uhr im Einsatz Rund um die Uhr im Einsatz: Die harte Realität der Luftrettung in Sachsen-Anhalt

Von Petra Buch 26.06.2016, 08:04
Ein Helikopter der DRF-Luftrettung hebt am Stützpunkt auf dem Flugplatz Oppin in Landsberg ab.
Ein Helikopter der DRF-Luftrettung hebt am Stützpunkt auf dem Flugplatz Oppin in Landsberg ab. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Sein kleinster Patient an Bord wog nur 450 Gramm und war erst 24 Wochen alt. Das Frühchen hat dank schneller Hilfe aus der Luft überlebt. „Das ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, wenn man helfen kann, ein Menschenleben zu retten“, erzählt Norbert Ebbighausen. Ein Foto einer überglücklichen Mutter und des Mädchens hat der Pilot der DRF Luftrettung zum Dank bekommen. Ebbighausen leitet die Station der DRF Luftrettung in Halle-Oppin, die es seit 25 Jahren gibt. 11 Piloten, 31 Notärzte und 13 Rettungsassistenten sind dort im Wechsel rund um die Uhr für Sachsen-Anhalt im Einsatz, 365 Tage im Jahr.

An Bord sind Opfer verschiedenster Unfälle, auch Frauen mit Risikoschwangerschaft, Säuglinge sowie Menschen mit schwersten Verbrennungen. „Jeder dritte Notfallpatient in Deutschland wird mit dem Hubschrauber in die Klinik gebracht“, sagt Stefanie Kapp, Sprecherin in der Zentrale der DRF Luftrettung in Filderstadt (Baden-Württemberg). Bundesweit sind in jedem vierten Fall lebensbedrohliche Herzerkrankungen und Schlaganfälle Grund für die Alarmierung. 2015 hoben die Hubschrauber der DRF Luftrettung vom Flugfeld in Halle 1901 Mal ab (2014: 1818 Einsätze). Im Vergleich zu den anderen 28 Standorten in Deutschland seien es die meisten. In Deutschland gibt es ein Luftrettungssystem, wofür auch Hubschrauber des ADAC, vom Bund und für die Bergwacht im Einsatz sind, um Leben zu retten. Angefordert werden die Retter aus der Luft über Zentrale Leitstellen.

Fernab von Klischees aus Film und Fernsehen

In diesem Moment geht der Pieper los. Keine zehn Minuten ist die Besatzung - Pilot, Notarzt, Notfallsanitäter - vom letzten Einsatz in Bitterfeld-Halle zurück. „Unsere Patienten sind Schwerstkranke, viele gar nicht ansprechbar“, beschreibt Wolfgang Starzmann die harte Realität der Luftrettung, fernab von Klischees aus Film und Fernsehen. Der Notfall- und Intensivmediziner steigt in den Helikopter, um eine Notfallpatientin aus einem Krankenhaus aus Wittenberg während der Verlegung in eine Spezialklinik an Bord medizinisch zu versorgen. Innerhalb von zwei Minuten hebt die Crew ab.

„Der Hubschrauber ist ausgestattet wie eine kleine Intensivstation“, sagt Ebbighausen. „Mitunter müssen Patienten selbst während eines medizinischen Eingriffs aus einem Operationssaal so schnell und schonend wie möglich in eine andere Klinik gebracht werden.“ 1997 kam er zur Luftrettung, vor 19 Jahren von Bonn nach Halle. „Planbar ist in unserem Job so gut wie gar nichts, man weiß nie, was der Tag bringt“, beschreibt Ebbighausen den täglichen Einsatz im Wettlauf mit der Zeit. Die Entscheidung, ob ein Patient transportiert werden muss, treffe aber immer ein Arzt.

„Es zählt jede Sekunde“, sagt Anästhesist Starzmann. Seit 13 Jahren ist der Oberarzt vom Universitätsklinikum Halle per Hubschrauber im Einsatz. „Jeder Handgriff muss automatisch sitzen“, pflichtet ihm Notfallsanitäter Marcus Bielert bei und zeigt auf medizinische Geräte und Instrumente an Bord. Dazu gehört eine Beatmungsmaschine. Ein Inkubator für Babys könne jederzeit installiert werden.

„Das war ein Bild des Schreckens“

Selbst nach Wien sei ein Helikopter von Halle-Oppin aus schon geflogen, um einen Patienten in eine Spezialklinik des Traumazentrums Bergmannstrost zu holen. Das Krankenhaus in Halle gilt als eine der modernsten Unfallkliniken Europas, es hat auch eine Spezialklinik für Rückenmarkverletzte. Traumatische Ereignisse gehören für Retter zum Alltag. Ebbighausen erzählt von einem Busunglück mit vielen Toten und Verletzten auf der Autobahn A 14 bei Bernburg (Salzlandkreis), als wäre es heute. „Das war ein Bild des Schreckens“.

Auf solche Situationen werden die Piloten, Mediziner und Sanitäter in ihrer Ausbildung zwar vorbereitet. Die Realität sehe von Fall zu Fall anders aus. „Der eine macht das Erlebte vom Unfallort mit sich aus, der andere muss darüber reden, und der nächste braucht professionelle Hilfe. Und manch einer gibt auch auf“, sagt Ebbighausen zur psychischen Belastung der Retter. Er entspanne sich am besten am Meer. Bereut habe er seinen Beruf nie.

Der Wunsch kam bei ihm auf, als er als 13-Jähriger selbst ein Notfall war. „Meine Eltern und ich mussten aus einem völlig eingeschneiten Hotel aus einem Skigebiet in Österreich ausgeflogen werden. Ansonsten wären wir von einer Lawine verschüttet worden“, sagt der 53-Jährige. 30 Jahre Berufserfahrung und über 7.000 Flugstunden kann er heute vorweisen. (dpa)