Protest gegen Güterbahnhof-Lärm Protest gegen Güterbahnhof-Lärm: Thaerviertel-Bewohner leiden unter nächtlichem Betrieb

Halle (Saale) - Vor allem im Dunkeln ist die Zugbildungsanlage auf Halles Güterbahnhof eine Attraktion. Fotografen knipsen das Lichtermeer mit seinen über 1.000 LED-Lampen. Und sie beobachten von der Berliner Brücke, wie die Waggons von einer Lok den Abrollberg hinaufgeschoben werden und dann über Weichen und 36 Gleise zu Güterzügen zusammengekoppelt werden.
Das Rattern, Quietschen und Knarzen stört die Zaungäste auf der Brücke nicht, dafür aber Anwohner im Thaerviertel. 72 Bewohner wehren sich mit einer Petition vor allem gegen den nächtlichen Lärm der Zugbildungsanlage. Mittlerweile befasst sich das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) mit den Beschwerden.
Güterbahnhof Halle: Quietschen raubt Schlaf
„Ich finde es ungeheuerlich, dass die Anlage in Betrieb genommen worden ist, ohne dass die Schallschutzwände bereits fertig sind“, sagt Guido Thurm, der die Petition verfasst hat. Am 29. Juni 2018 war Europas modernste Zugbildungsanlage in Betrieb gegangen, ohne dass alle Schallschutzwände schon standen. An den vier Meter hohen Mauern wird zum Teil noch immer gebaut - unter anderem am Thaerviertel. In den ersten Wochen waren es nur wenige Züge, die täglich zusammengestellt worden sind. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember können bis zu 2.400 Güterwaggons abgefertigt werden.
146 Millionen Euro hat die Bahn in den neuen Güterbahnhof investiert. „Für mich ist das Körperverletzung, was die Bahn hier auf unsere Kosten betreibt. Bei offenem Fenster zu schlafen, ist nicht möglich“, kritisiert Thurm. Auch Katja Niemann spricht von einer unerträglichen Situation. „Der Lärm ist immer da - unabhängig von der Witterung oder der Jahreszeit. Mir kommt es so vor, als ob die Waggons direkt durch das Schlafzimmer rollen.“ Sie arbeite als Krankenschwester in Schichten, benötige ihren Schlaf. „Ich höre es sogar, wenn die Fenster geschlossen sind. Was außerdem nervt, ist das ständige Hupen der Loks“, sagt Niemann.
Lärm am Güterbahnhof Halle: Wer bekommt neue Fenster?
Zunächst hatte Guido Thurm das Umweltamt der Stadt eingeschaltet. Von dort gelangte das Schreiben zum Eisenbahn-Bundesamt. Mitte Dezember bekam Thurm von dort auch Antwort. Der MZ liegt das Schreiben vor. Man habe die Eingabe zum Anlass genommen, die Vorhabenträgerin, also die Bahn, über die Fertigstellung des passiven Schallschutzes zu befragen, heißt es in dem Brief, der der MZ vorliegt. Demnach habe die Bahn die „Ausführung der Schutzanordnungen“ zur Zugbildungsanlage und zum Knoten Halle, dem Hauptbahnhof, bestätigt.
„Ein weiteres Tätigwerden des Amtes ist deshalb derzeit nicht angezeigt“, schreibt das EBA. Die Bahn verweist auf MZ-Nachfrage auf das bestehende Baurecht. So sei im Vorfeld berechnet worden, welcher Schallschutz notwendig sei. „Und diese Auflagen werden erfüllt“, wie ein Sprecher am Mittwoch sagte. Aber natürlich verursache eine in Betrieb befindliche Anlage mehr Lärm als eine Industriebrache.
Bundesimmissionsschutzverordnung: Theorie statt Praxis
Laut Bundesimmissionsschutzverordnung darf die Bahn mit ihren Anlagen in Wohngebieten nachts 49 Dezibel nicht überschreiten, in Mischgebieten wären es 54 Dezibel. Wie hoch die Verkehrsgeräusche im Thaerviertel durch die Zugbildungsanlage sind, war am Mittwoch nicht zu erfahren. Aus Bahnkreisen hieß es aber, dass die theoretischen Berechnungen der Lärmbelastung während des Genehmigungsverfahrens strengeren Vorgaben folgen würden als tatsächliche Messungen in der Realität.
Ob die Bahn doch noch Untersuchungen in Auftrag geben wird, ist offen. 100 Haushalte haben Anspruch auf Schallschutzfenster und Lüfter, hatte der Konzern erst im Dezember erklärt. „Ich kenne bislang niemanden, der die Fenster wirklich bekommt“, sagt Guido Thurm. Und er unterbreitet der Bahn einen Vorschlag. So solle die Ausbreitung des Lärms dort verhindert werden, wo er entsteht: durch einen Schallschutz direkt an den Gleisen. (mz)