Nach Brandbrief aus Sachsen-Anhalt Probleme mit der Migration? Der Aufschrei aus Halle bleibt aus
Zuletzt waren Appelle aus Sachsen-Anhalt für eine andere Migrationspolitik zu hören, nicht aber aus der Stadt. Wie also schätzt die Verwaltung die Lage ein? Und wie Experten?

Halle (Saale)/MZ - Damit die Integration von Migranten gelingt, brauchen die Kommunen mehr Geld, erklärte jüngst Merseburgs Oberbürgermeister Sebastian Müller-Bahr (CDU). „Zahlt doch das Geld einfach an die Kommunen aus und lasst sie machen, was vor Ort gemacht werden muss“, sagte er im ARD-Morgenmagazin und betonte zugleich, dass Arbeitseinwanderung nötig sei. „Wir brauchen Fachkräfte in der Pflege, in der Chemie, in den Dienstleistungen.“ Aber, so Müller-Bahr, „wir brauchen auch die Möglichkeiten, um sie willkommen zu heißen.“ Etwa, um ihnen die Sprache beizubringen oder Jobs zu verschaffen.
Derlei öffentlichkeitswirksame Rufe nach mehr Unterstützung waren aus dem Ratshof in Halle bisher nicht zu vernehmen. Die Stadt hat – im Gegensatz zu einigen Kommunen aus dem Saalekreis – auch ein Appellschreiben an die Koalitionäre in Berlin nicht unterschrieben. Zahlreiche Kommunen forderten darin vor einem Monat ein Umdenken in der Migrationspolitik. Gibt es die Sorgen in Halle schlichtweg nicht?
Die Stadt verweist auf die Pauschale, die sie vom Land pro zugewiesener Person erhält. In dieser Pauschale seien die Zahlungen für Lebensunterhalt, Wohnen, Heizung, Kleidung und Unterstützung im Krankheitsfall berücksichtigt. „In der Vergangenheit war die Pauschale auskömmlich“, heißt es.
Wie viele Migranten leben in Halle?
Rund 19 Prozent der halleschen Einwohner sind Migranten. Die Zahl der in der Stadt lebenden Menschen ohne deutschen Pass ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen, von 41.997 im Jahr 2022 und 44.720 im Jahr 2023 auf inzwischen 46.610 Einwohner. Allerdings ist der Migrationsanteil in den einzelnen Stadtteilen sehr unterschiedlich (siehe Tabelle).
Vielfach liegt er unter fünf Prozent, so auch in Reideburg, wo zuletzt Unterschriften gegen eine vermeintliche neue Asylunterkunft gesammelt wurden, wenngleich die Stadt stets betonte, dass die geplante Jugendunterkunft genau das nicht sei. Auch in den als wohlhabend wahrgenommenen Stadtteilen Giebichenstein und Paulusviertel mit jeweils über 10.000 Einwohnern liegt der Migrationsanteil bei gerade einmal um die zehn Prozent.
Die stärkste Konzentration gibt es indes in Halle-Neustadt. Mit 51,61 Prozent hat die Südliche Neustadt den mit Abstand höchsten Migrationsanteil. Halles neuer Oberbürgermeister Alexander Vogt (parteilos) hatte noch im Wahlkampf diese ungleiche Verteilung als Problem bewertet, das es anzupacken gilt.
Noch gibt es ausreichend Wohnraum in Halle
Doch selbst angesichts des Spitzenwertes in der Südlichen Neustadt sieht die Stadt in keinem Stadtteil ein Kapazitätsproblem, also eine vermeintlich zu hohe Zahl an Migranten. Noch sei „ausreichend Wohnraum vorhanden“.
Nach Auskunft der Stadt werden Spätaussiedler, Asylberechtigte, Asylbewerber oder auch vorübergehend Schutzberechtigte in der Regel zunächst in Wohnzentren untergebracht. Anschließend erfolge eine dezentrale Unterbringung. Die Stadt stelle dafür möblierte Wohnungen zur Verfügung. Mietkosten und Wohnungsgröße richteten sich nach den Kosten der Unterkunft oder dem zur Verfügung stehenden Einkommen.
Die GWG als größter städtischer Vermieter in Neustadt hilft der Stadtverwaltung nach eigener Aussage „aktiv bei der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Migranten aus allen Ländern der Welt“. Das Wohnungsunternehmen spricht von einem „Kraftakt“ und hat dafür einen Migrationsberater eingestellt. Im Ernst-Barlach-Ring, wo der Migrationsanteil laut GWG „sehr hoch ist“, gibt es zudem einen von der GWG gesponserten Quartierladen, um ein gutes nachbarschaftliches Miteinander zu stärken.
Nur begrenztes Beratungsangebot für Migranten
Selbst die Stadt Halle erklärt auf Nachfrage aber, dass „Integrations- und Beratungsangebote Grenzen haben“. Dafür sei die Finanzierung durch Bund und Land unzureichend. Auch fehle es laut Stadt an Lehrkräften und Sozialarbeitern. Ein Vorwurf an die Stadt selbst lautet indes, dass die Ausländerbehörde unterbesetzt, Mitarbeiter dort überlastet seien.
Der Sozialwissenschaftler Hans Goldenbaum, tätig für die Hallesche Jugendwerkstatt, spricht vom grundsätzlichen Problem, dass zu wenig Geld in die Kommunen fließe. Er sagt: „Migration ist das Thema, mit dem sich das öffentlichkeitswirksam thematisieren lässt. Es ist aber nicht die Hauptursache der kommunalen Unterfinanzierung.“