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Plage in Halle? Plage in Halle?: Hundert Waschbären im Stadtgebiet erlegt

Von MICHAEL FALGOWSKI 04.12.2015, 09:43
Der Waschbär sitzt in Halle vielerorts in der Falle.
Der Waschbär sitzt in Halle vielerorts in der Falle. Privat Lizenz

HALLE (Saale) - Was ist die Lieblingsspeise des Waschbären? Nutella. Eine Weißbrotschnitte mit Nutella. Oder auch Gummibärchen. Ein ganz Süßer also, ist er. Doch oft gerät ihm die Süßspeise zum Henkersmahl. Wenn der Waschbär dem Duft der Nuss-Nougat-Creme folgt - und in die Falle tappt. Denn einmal dort gefangen, wird er getötet - erschossen, von einem herbeigerufenen Jäger. Halles Kleingärtner und Hausbesitzer rüsten auf gegen den Waschbären. Denn der ist auf dem Vormarsch. „Vor fünf Jahren noch haben wir gerade neun getötete Tiere registriert. In diesem Jagdjahr werden es wohl über 100“, sagt Waldemar Vogt von der Unteren Jagd- und Fischereibehörde der Stadt.

Die Tiere sind verstädtert

Zehn Prozent der Tiere würden im Straßenverkehr getötet. Doch immer häufiger stellen auch Hallenser eigene Fallen auf. Waldemar Vogt, privat selbst Jäger, berät die Hilfesuchenden vor Ort. Zuletzt auf einem Grundstück an der Wolfensteinstraße. Dort hatte eine ganze Waschbären-Familie schon das zweite Jahr hintereinander den Pflaumenbaum komplett abgeerntet hat. Das geringere Problem: „Die Gefahr besteht, dass sich der Waschbär etwa im Dachboden einnistet. Dort verwüstet er die Dämmung und nutzt sie etwa als Baumaterial“, sagt Vogt. Und das Tier lege in Zwischenböden gerne seine Toilette an - mit den entsprechenden Folgen. Waschbären hätten auch schon Dachziegel abgeräumt. Der niedliche Allesfresser sei zudem nicht wählerisch, räumt Vogelgelege aus, nehme aber auch Frösche oder Goldfische aus Gartenteichen. Auch ein junges Rehkitz töte das nachtaktive Raubtier ohne viel Federlesen, wenn er es finde, sagt Vogt.

Glattverputzte Gefängnismauern

Der aus Nord- und Mittelamerika stammende Waschbär - in den 1930er Jahren wurden zwei Paare in Hessen zur Vergrößerung des jagdbaren Wildes ausgewildert, die sich rasch vermehrten - hat hierzulande keinen natürlichen Feinde. Eigentlich liebt der Kleinbär wasserreiche Wälder. Doch längst ist er verstädtert. Jagdaufseher Vogt berichtet von Tieren im Mühlwegviertel oder in der ehemaligen Chirurgie an der Magdeburger Straße. Und nichts hält den Kletterkünstler auf. „Ich bin ins Gefängnis Roter Ochse gerufen wurden. Da saß ein Tier oben auf der sechs Meter hohen, gerade neu glattverputzten Gefängnismauer“, sagt Vogt. Unerklärlich, wie er dort hinaufgekommen sei. Mit einigen Maßnahmen wie Abdeckungen könne man Haus und Garten nur unzureichend schützen. Doch vertreiben ließen sich Waschbären praktisch nicht, sagt Vogt.

Nutellabrot als Köder

Bei Bedarf empfehle er besorgten Hauseigentümern das Aufstellen von Lebendfallen - mit Nutellabrot als Köder, unter anderem. So eine Falle steht derzeit etwa in der Gartenanlage „Unser Garten“ in der Frohen Zukunft. Dort erwehren sich die Pächter des Waschbären. „Wir haben als Gartenverein eigens eine Falle angeschafft. Gute Fallen kosten so 120 Euro. Und wir haben auch schon einige Tiere gefangen“, sagt Petra Engel-Eberhardt von Vereinsvorstand. Jeden Tag kontrolliere sie zwei Fallen.

Der Waschbär gehört zu jenen Wildtieren, die per Jagdgesetz innerhalb einem „befriedeten“ Grundstücks „gefangen, getötet und behalten“ werden dürfen. Fangen ist das eine, Töten das andere. Dafür rufen die Hobby-Trapper die Jagdbehörde an, um einen Jäger vermittelt zu bekommen. Für wenige Euro übernehmen diese das Geschäft. Als Wirbeltiere müssen Waschbären nämlich waidmännisch getötet werden - erschossen. Der Kadaver kann übrigens auch vergraben werden.

Wildenten am Kanal dezimiert

Zu den Tieren, die gefangen und getötet werden dürfen, gehören außerdem Fuchs, Marderhund, Marder, Nutria und Mink. Wie der Waschbär sind diese Wildtiere längst in der Stadt verbreitet. „Der Mink etwa, ein aus Amerika stammender Nerz, hat in den letzten Jahren etwa am Kanal die Wildenten und auch die sehr robusten Blesshühner sehr stark dezimiert“, sagt Jagdaufseher Vogt. Nicht nur durch das Fressen der Eier. Der Mink greife sich auch Vögel. Auch der Waschbär hat Spuren in der Natur hinterlassen: Im Jahr 2010 beispielsweise hat er die Graureiher-Kolonie im Kollenbeyer Holz im Süden Halles komplett vernichtet. 200 Reiher-Brutpaare gibt es dort, zum ersten Mal im Jahr 1908 erwähnt. Nach der Zerstörung der Eier durch den Waschbären sind die Reiher nicht mehr zurückehrt. (mz)