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Oldtimer-Fan Oldtimer-Fan: Wie ein Hallenser alte Traum-Karossen wieder auf Vordermann bringt

Von Steffen Höhne 03.07.2016, 16:21
Der Jaguar E-Type V15 ist eines der Lieblingsfahrzeuge des Oldtimer-Händlers Heiko Baum. Gebaut wurde es 1971.
Der Jaguar E-Type V15 ist eines der Lieblingsfahrzeuge des Oldtimer-Händlers Heiko Baum. Gebaut wurde es 1971. Holger John

Halle (Saale) - Auf der Hebebühne steht ein weinroter Mercedes 240 D - Baureihe 123. Am Rahmen der Beifahrertür kratzt Heiko Baum an einer Roststelle, der Lack auf der Motorhaube ist matt geworden. „Auf den ersten Blick macht das Auto aber einen guten Eindruck“, sagt der Oldtimer-Händler. Er zeigt ins Innere. Das Armaturenbrett ist das holzverkleidete Original, die Leder-Sitzpolster sind ohne Risse. Dann noch eine kurze Inspektion des Motorraums und ein Nicken. „Drei bis vier Tage benötigen wir, um das Fahrzeug in einen ordentlichen Zustand zu bringen“, sagt der 45-Jährige.

Seit mehr als 20 Jahren repariert, restauriert und handelt Baum mit Oldtimern. Angefangen hat das als Hobby, inzwischen ist es zu einem florierenden Geschäftszweig seines Autohauses geworden. Die Zahl der Oldtimer mit H-Kennzeichen (älter als 30 Jahre) in Sachsen-Anhalt hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Auch die Preise sind in die Höhe geschossen. In Zeiten von Niedrigzinsen dienen alte Porsche, Jaguar & Co. auch als Wertanlage.

Design und Qualität überzeugen

Wenn man von der A 14 die Abfahrt Halle-Ost Richtung Innenstadt abfährt, führt die Straße am Autohaus vorbei. Dort, wo einst Neuwagen von BMW und Ford standen, glänzen nun unter anderem ein schwarzer Mercedes 190 SL und blauer Jaguar E-Type. Die  Sportwagen restaurierte Baum über Jahre hinweg in mühevoller Handarbeit. Er suchte an Kfz-Teilbörsen nach den passenden Teilen. Mit Schraubenschlüsseln, Zangen und Hammer erweckte er die Autos zum Leben. Das glitzernde Chrome der Stoßstangen ist der beste Werbeträger. „Wer sich für Oldtimer interessiert und hier vorbei fährt, der hält meist auch an.“

Baums Oldtimer-Kunden haben sehr unterschiedlich hohe Kontostände. Vom Oberarzt bis zum Lehrling sei alles dabei, alle hätten aber „etwas Benzin im Blut“. Im Englischen gibt es  für solche Autoliebhaber das schöne Wort „Petrolhead“. Ein typisches Geschäft beschreibt Baum so: „Meist haben die Kunden den gewünschten Oldtimer bereits per Anzeige gefunden. Wir schauen uns das Fahrzeug dann gemeinsam an. Ich begutachte die Qualität und ob es sich im Original-Zustand befindet. Es kommt vor, dass ein Coupé in ein Cabrio umgebaut wurde. Für den Laien ist das gar nicht so leicht erkennbar. Zudem schätze ich ein, wie viel Geld bei uns in der Werkstatt noch in die Rekonstruktion gesteckt werden muss, um einen Zustand 2 zu erreichen.“ „Zustand 2“ ist Oldtimer-Sprache und heißt: mängelfrei, mit leichten Gebrauchsspuren.

Was Baum an den Oldtimern liebt? „Ihr Design, die Qualität der Verarbeitung, die Motoren. So etwas gibt es heute nicht mehr.“ Der Karosseriebaumeister, der von seinem Vater schon im Alter von 17 einen Trabant Kübel geschenkt bekam, ist sich sicher, dass viele der heute verkauften Wagen nie das Oldtimer-Alter erreichen. „Die ganze Elektronik in den modernen Autos macht das Fahren komfortabler, doch die Fahrzeuge sind auch viel anfälliger für Störungen.“

Baum erzählt von einem Kunden, der es Leid war, für ein kaputtes Elektronik-Bauteil eines VW Phaeton 2.000 Euro zu bezahlen. „Der fährt heute mit einem alten Mercedes zur Arbeit und bekommt von uns Bremsbeläge für 40 Euro“, sagt Baum. Der Unterhalt vieler Oldtimer sei vergleichsweise günstig. Für Autos mit H-Kennzeichen fällt ein geringerer Steuersatz an. Auch Versicherungpolicen sind häufig niedrig. „Schwierig ist es mitunter, bestimmte Ersatzteile zu erhalten“, so Baum. Nach seinen Erfahrungen sind Oldtimer längst nicht mehr nur Garagenautos, ein Teil dient auch als Alltagsauto.

Gleichwohl macht auch der Auto-Liebhaber die Erfahrung, dass die Zahl der Kunden steigt, die einen Oldtimer auch als Geldanlage nutzen wollen. „Die Preise sind in den vergangenen Jahren bei bestimmten Modellen regelrecht explodiert“, so Baum. „Schnäppchen gibt es eigentlich nicht mehr.“

Das bestätigen auch die Auswertungen des Beratungshauses Classic-Analytics aus Bochum (Nordrhein-Westfalen), das sich auf den Oldtimer-Markt spezialisiert hat. Der Wert von 88 ausgewählten Modellen ist in den vergangenen fünf Jahren um durchschnittlich 44 Prozent gestiegen. Nach Aussage von Geschäftsführer Frank Wilke geht es den Interessenten aber häufig darum, ein „Lebensgefühl zurückzukaufen“. So koste das VW-Bus Sondermodell „Samba“, das über Dachfenster verfügt, in einem gut erhaltenen Zustand inzwischen rund 100.000 Euro.

Investition mit Risiko

„Einige Männer wollen ihre Lieblings-Matchbox-Autos, die sie als Kind hatten, nun auch als richtiges Auto fahren“, so Wilke. Nach seinen Erfahrungen gibt es nur wenige Oldtimer-Besitzer oder Sammler, die ihre Wagen allein wegen der Wertsteigerung kaufen. Das wäre auch riskant, da auch die alten Fahrzeuge nicht unerhebliche Unterhaltskosten verursachen, die der Wertsteigerung entgegengerechnet werden müssen.

Allein wegen des Geldes betreibt auch Baum den Oldtimer-Handel nicht. Sein Autohaus mit 18 Mitarbeitern erwirtschaftet 80 Prozent des Umsatzes im normalen Werkstattgeschäft. „Mein Karosseriebaumeister ist inzwischen aber eine Koryphäe, wenn es darum geht, Autos zu restaurieren. Und unsere jungen Mitarbeiter lernen hier noch, wie man Ventile einstellt“, sagt Baum. Bei modernen Fahrzeugen sei dies nicht mehr möglich. Viele von Baums Beschäftigten sind längst selbst Oldtimer-Fans.

Die meisten seiner schmucken Karossen würde Baum auch nicht verkaufen: „Ich bin da wie ein Münz- oder Briefmarkensammler.“ Dann zeigt er noch einmal auf den blauen Jaguar E-Type V12. „Ein solches Auto wollte ich schon immer haben. Es ist ein Traum, und den verkauft man nicht.“ (mz)