Neue Schau im Roten Ochsen in Halle Neue Schau im Roten Ochsen in Halle: Auf den Spuren der Sowjetarmee in der DDR

Halle (Saale) - Zwei Jahre lang sind die beiden italienischen Fotografen Stefano Corso und Dario-Jacopo Laganà durch Ostdeutschland gereist und haben das fotografiert, was kaum noch von der Geschichte der DDR in der Erinnerung ist: verfallene Kasernen, zerstörte Statuen, erhaltene Denkmäler und umgebaute Sanatorien aus der Zeit der sowjetischen Armee in der DDR. „We will forget soon“ (Wir werden es bald vergessen) heißt die Schau mit eindrucksvollen Fotos des in Berlin lebenden Duos, die seit Dienstag in der Gedenkstätte „Roter Ochse“ zu sehen ist.
Auf 8.000 Kilometer langen Spuren unterwegs
„Ich habe mich viele Jahre mit dem Zweiten Weltkrieg in Italien und Deutschland beschäftigt. Die Idee zu der Ausstellung kam mir jedoch bei einem Besuch bei Freunden in Brandenburg“, sagt der 38-jährige Laganà. Denn Freunde hatten ihm damals den verlassenen sowjetischen Flugplatz in Rangsdorf gezeigt. Vergessene Orte zu zeigen - das sei gerade für die beiden als Italiener ohne ideologische Brille und mit unbefangenem Blick möglich.
Von Rügen über Brandenburg, Berlin, bis nach Sachsen und Thüringen waren die beiden Foto-Profis über 8.000 Kilometer unterwegs, haben über 300 Orte besucht und haben parallel auf Karten und in Internetforen von russischen Veteranen nach vergessenen Plätzen der Sowjetarmee gesucht. In der Ausstellung zeigen sie beides: Verfall und Umnutzung, etwa wie bei dem Fliegerhorst Brand südlich von Berlin, der von der sowjetischen Luftwaffe als Bomberbasis genutzt wurde und heute Standort des tropischen Freizeitparks „Tropical Island“ ist.
Ehemaliges Militärgebäude und Gefängnis Roter Ochse
In Sachsen-Anhalt wurden sie in Magdeburg, Hettstedt und Halle fündig. In ihren künstlerisch aufgenommenen Bildern, die viel Atmosphäre transportieren, zeigen sie das Fahnenmonument aus ungewöhnlicher Perspektive. Auch ein ehemaliges Militärgebäude, das heute von der Uni genutzt wird, ein Lazarett, die Sowjet-Stadtkommandantur (heute AOK) und das Gefängnis Roter Ochse - zwischen 1945 und 1950 sowjetisches Internierungslager und Standort des sowjetischen Militärgerichts - haben sie hier vor die Linse genommen.
Ambivalente Erinnerungen der Einheimischen
„Es ist nun mehr als ein Vierteljahrhundert her, dass die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte, insgesamt sechs Armeen, aus Deutschland abgezogen sind. Sie hinterließen nicht nur kontaminierte Areale, sondern ambivalente Erinnerungen in den Köpfen und Herzen der Einheimischen“, schreibt Silke Satjukow, Historikerin an der Universität Magdeburg im demnächst erscheinenden Begleitband zum Projekt. Stefano Corso und Dario-Jacopo Laganà sei es gelungen, die Zeitzeugnisse gleichsam dem Dickicht des Vergessens zu entreißen und Vergangenes mit Gegenwärtigem in einen spannungsvollen und spannenden Bezug zu bringen, der zum Wiedererkennen ebenso wie zum Widerspruch auffordert.
Wunsch auch in Westdeutschland auszustellen
Möglich wurde das Riesen-Projekt, bei dem mehr als 10.000 Bilder entstanden sind, durch eine Förderung der Bundesstiftung Aufarbeitung und des Italienischen Kulturinstituts Berlin. Nach Halle wird die Ausstellung in Rostock und Berlin sowie an weiteren Orten Ostdeutschlands zu sehen sein. „Unser Wunsch ist es natürlich, die Bilder zudem auch in Westdeutschland und Italien zu zeigen“, so Laganà.
In den Ausstellungsräumen des „Roten Ochsen“ sind nur einige der Tausenden Bilder als großformatige Abzüge zu sehen. Eine Vielzahl von weiteren Bildern laufen als Slideshow über einen Bildschirm und laden dazu ein, nicht zu vergessen. (mz)

